„Atemlos durch die Nacht“ – Helene Fischer hat offenbar keine Ahnung, was echte Atemlosigkeit bedeutet. Die Atemnot (Dyspnoe), die Menschen mit bestimmten Halswirbelsäulenproblemen erfahren, ist weit entfernt von dem beflügelnden Zustand, den dieser Song beschreibt. Ihr fragt euch, was vielleicht dahintersteckt? Et voilà! Heute lernt ihr einen wahren Maestro eures Körpers kennen: den Phrenikusnerv.


Die Schmutzmatten

Erinnert ihr euch an den Blogbeitrag „Wirre Urlaubstage“, in dem Sauergrete und Bert vorkamen? Glaubt mir, die Schmutzmatten sehe ich heute noch…
Jedenfalls: Damals besuchten meine Familie und ich einen ganz tollen Dinopark (den ich übrigens sehr empfehlen kann) mit lebensgroßen Modellen naher Wackelhalsverwandtschaft – den Triceratopsen natürlich -, toller Geräuschkulisse und vielen Möglichkeiten zum Klettern. Die Kinder freuten sich riesig und selbst mein Mann, der größte Ausflugmuffel, den die Welt je gesehen hat, signalisierte einen Hauch von Lust auf eine kleine Dino-Safari. Doch wie so oft musste mein Genick dazwischengrätschen.

Leck mich!

Schon während der Hinreise hatte mich unbeschreibliche Atemnot überrumpelt, als ob zu keiner Zeit genügend Sauerstoff in meine Lungen gelangen konnte. Ich atmete und atmete, doch der Durst nach Luft wurde immer größer. Ich weiß noch, wie genervt ich war. Und ich weiß, wie ich bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz in Gedanken laut „LECK MICH!“ zum Himmel brüllte, da ich weder bereit war, im Auto zu bleiben noch den weltbesten Ausflug mit meinen Wehwehchen zu verunstalten, nur weil das Universum beim Komponieren meiner Lebenslektionen unmotiviert Würfel geschmissen hatte.

Abgesehen davon war ich mit diesem abartigen Symptom vertraut. Die Chancen standen fifty-fifty, dass sich mein Zustand innerhalb weniger Stunden bessern würde – oder dass ein tagelanger Schlamassel folgen würde. Na, ratet mal…
Aber immerhin: Ich musste keine zusätzliche Kraft ins Rätselraten stecken. Ich kannte meine Baustellen und wusste daher ganz genau, weshalb ich mich wie ein kaputter Blasebalg fühlte.

Immer schlimm außer Puste? Vielleicht entdeckst du hier den Grund dafür. (Bild: wirbelwirrwarr.de)

STOP!

Bevor es weitergeht, kommt jetzt aber erstmal ein fettes STOP! Wenn ihr Atemnot habt, geht bitte zum Arzt! Für Atemnot gibt es viele mögliche Gründe, manche davon sind sehr ernst!

  1. Lungenerkrankungen: Dazu gehören Asthma, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Lungenentzündung, Lungenfibrose und Lungenembolie.
  2. Herzerkrankungen: Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit oder Herzinfarkt können die Atmung beeinträchtigen, da das Herz nicht effektiv genug Blut und Sauerstoff durch den Körper pumpen kann.
  3. Atemwegsobstruktionen: Verengungen oder Blockaden der Atemwege durch Fremdkörper, Schwellungen oder Tumoren.
  4. Neurologische Störungen: Probleme mit den Nerven, die die Atemmuskulatur kontrollieren, wie bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) oder bei fortgeschrittener Multiple Sklerose.
  5. Anämie: Ein niedriger Hämoglobinspiegel kann dazu führen, dass nicht genügend Sauerstoff transportiert wird, was die Atmung beeinträchtigt.
  6. Allergische Reaktionen und Infektionen: Schwere allergische Reaktionen wie Anaphylaxie oder Atemwegsinfektionen können ebenfalls zu Atemnot führen.
  7. Psychogene Ursachen: Panikattacken oder Angststörungen können Symptome von Atemnot hervorrufen, ohne dass eine physische Ursache vorliegt.
  8. Chronische Erkrankungen: Zustände wie Fibromyalgie oder chronisches Erschöpfungssyndrom, die mit muskulärer Schmerzen und Schwäche einhergehen, können ebenfalls die Atmung beeinträchtigen.

Ihr seht, wenn mehrere Personen Atemnot haben, können völlig unterschiedliche Ursachen dahinterstecken. Bitte beherzigt das!

Und jetzt dürft ihr weiterlesen.

Der unsichtbare Dirigent: Der Phrenikusnerv

Für diejenigen unter euch, die dank des Einlesers von einem Ohrwurm befallen sind, lasse ich das Radio noch ein wenig eingeschaltet. Stellt euch bei dieser Gelegenheit die Musik als euren Atem vor, der wie eine sanfte Melodie ununterbrochen im Hintergrund spielt. Der Dirigent dieser Melodie? Der Phrenikusnerv, oder N. phrenicus.
Versteckt zwischen den Halswirbeln C3 bis C5 ist dieser periphere Nerv der unsichtbare Maestro, der dafür sorgt, dass unser Zwerchfell, unser wichtigster Atemmuskel, unsere Lungen mit Sauerstoff füllt. Eine Fehlstellung oder eine Verletzung in diesem Bereich der Halswirbelsäule kann diesen Nerv irritieren oder einklemmen. Wie ein Dirigent, der seinen Taktstock verloren hat, kann der Phrenikusnerv dann nicht mehr richtig mit dem Zwerchfell kommunizieren. Dadurch wird der wesentliche Mechanismus für das Ein- und Ausatmen beeinträchtigt. Das Ergebnis? Eine Atemnot, die uns plötzlich und unerwartet überfällt, ein Gefühl, als ob die Luftzufuhr blockiert wäre.

Betroffene schildern oft, nicht tief genug einatmen zu können, oder sie empfinden Kurzatmigkeit bei geringer körperlicher Anstrengung. In schweren Fällen kann eine Beeinträchtigung des Phrenikusnervs zu einer signifikanten Reduktion der Lungenfunktion führen, was medizinische Interventionen erforderlich machen kann, um die Atmung zu unterstützen.

Neben Atemnot können Störungen in dieser Region auch andere Symptome verursachen, wie Schmerzen oder Unbehagen im Nackenbereich, Schwierigkeiten beim Schlucken oder Veränderungen der Stimme, abhängig davon, welche anderen Nerven oder Strukturen betroffen sind.

Der N. phrenicus, ein Dirigent des Atems. (Bild: wirbelwirrwarr)

Der Weg zur Erleichterung: Diagnose und Therapie

Die Diagnose einer Phrenikusnervstörung kann einige spezifische Untersuchungen erfordern:

  1. Medizinische Anamnese und körperliche Untersuchung: Der erste Schritt besteht darin, die Symptome und die medizinische Geschichte des Patienten zu erfassen. Der Arzt wird nach Symptomen wie Atembeschwerden, vorangegangenen Operationen oder Verletzungen im Bereich des Halses oder der oberen Brust fragen.
  2. Röntgenaufnahme des Thorax: Eine Röntgenaufnahme kann helfen, die Bewegung des Zwerchfells zu visualisieren. Bei einer Phrenikusnervlähmung kann eine Seite des Zwerchfells höher stehen als die andere, besonders sichtbar bei einem „Schnupftest“ (Sniff-Test), bei dem der Patient tief durch die Nase einatmet.
  3. Ultraschalluntersuchung: Mittels Ultraschall kann die Bewegung des Zwerchfells in Echtzeit beurteilt werden. Dies ist eine nicht-invasive Methode, um zu sehen, ob das Zwerchfell auf der betroffenen Seite weniger oder abnormal bewegt.
  4. Elektrophysiologische Tests: Diese Tests messen die elektrische Aktivität und die Funktionsfähigkeit des Phrenikusnervs. Dazu gehört die Elektromyographie (EMG) des Zwerchfells, die aufzeigt, wie gut der Nerv die Muskelaktivität steuert.
  5. Fluoroskopie: Bei dieser bildgebenden Technik wird ein kontinuierliches Röntgenbild erstellt, das die Bewegung des Zwerchfells während des Atemzyklus zeigt.
  6. Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT): Diese Bildgebungstechniken können genutzt werden, um nach möglichen Ursachen einer Phrenikusnervstörung zu suchen, wie zum Beispiel Tumoren oder andere Anomalien, die den Nerv beeinträchtigen könnten.
  7. Lungenfunktionsprüfung: Obwohl nicht spezifisch für den Phrenikusnerv, können Lungenfunktionsprüfungen hilfreich sein, um den allgemeinen Zustand der Atemfunktion und die Auswirkungen einer möglichen Zwerchfellbeeinträchtigung zu beurteilen.

Therapie

Wie eine Phrenikusnervstörung therapiert wird, hängt wesentlich von der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung ab. Die Behandlung kann konservative Maßnahmen, Atemtherapien sowie chirurgische Eingriffe umfassen:

Leichte Störungen

Bei leichten Störungen des Phrenikusnervs, bei denen das Zwerchfell nicht vollständig gelähmt ist und die Symptome weniger ausgeprägt sind, können folgende Therapieansätze zum Einsatz kommen:

  • Atemübungen: Spezielle Atemtechniken, die darauf abzielen, die Zwerchfellbewegung zu verbessern und die Atemeffizienz zu erhöhen, können helfen, die Symptome zu lindern.
  • Physiotherapie: Regelmäßige Physiotherapie kann dabei helfen, die Atemmuskulatur zu stärke, die allgemeine Atemkapazität zu verbessern und die Ursache der Nervenirritation zu beheben.
  • Beobachtung und Monitoring: Besonders wenn die Störung durch eine vorübergehende Ursache wie eine Operation oder Verletzung verursacht wurde, kann abgewartet werden, ob sich die Nervenfunktion von selbst erholt.

Schwere Störungen

Bei schweren Störungen, insbesondere wenn eine komplette Lähmung des Zwerchfells vorliegt, können invasive Maßnahmen notwendig sein:

Chirurgische Behandlung:

  • Zwerchfellpacing: Ein Zwerchfellschrittmacher kann implantiert werden, um elektrische Impulse direkt an das Zwerchfell zu senden und damit die Atmung zu unterstützen.
  • Nervenrekonstruktion: In einigen Fällen kann eine chirurgische Reparatur oder Rekonstruktion des Phrenikusnervs möglich sein, um die Funktion wiederherzustellen.
  • Zwerchfellraffung: Bei einer dauerhaften Lähmung kann eine Operation durchgeführt werden, um das Zwerchfell zu straffen und so die Atmungseffizienz zu verbessern.

Unterstützung der Atmung:

  • Mechanische Beatmung: Bei schweren Beeinträchtigungen kann temporär oder dauerhaft eine maschinelle Unterstützung der Atmung notwendig sein.
  • Nicht-invasive Beatmung: Geräte wie CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) oder BiPAP (Bilevel Positive Airway Pressure) können eingesetzt werden, um die Atmung während des Schlafes oder in Ruhephasen zu unterstützen.

Medikamente:

  • Obwohl keine spezifischen Medikamente für die Behandlung der Phrenikusnervlähmung existieren, können Medikamente zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Schmerzen oder zur Behandlung der Grunderkrankung eingesetzt werden.

Atemlose Hirnnerven

Denkt dran: Atemnot kann besonders bei Wackelhälsen infolge einer Hirnnervenstörung auftreten.

  1. Nervus vagus (X. Hirnnerv): Der Nervus vagus spielt eine zentrale Rolle in der Steuerung verschiedener autonomer Funktionen im Körper, einschließlich der Atmung. Er versorgt die glatte Muskulatur der Luftröhre und der Bronchien und hat damit einen direkten Einfluss auf die Atmung. Eine Störung dieses Nervs kann zu Schwierigkeiten bei der Steuerung der Atmung führen.
  2. Nervus glossopharyngeus (IX. Hirnnerv): Der Nervus glossopharyngeus hat eine geringere Rolle in der direkten Atmungssteuerung, ist jedoch wichtig für das Schlucken und die Sensibilität des Rachens. Probleme mit diesem Nerv können indirekt die Atmung beeinflussen, besonders wenn Schluckbeschwerden oder Blockaden im Rachenbereich auftreten.

Ich wünsche allen Atemlosen gute Besserung!