Das Aufstehen löst allmählich immer mehr Freude in mir aus, denn es duftet und klingt überall so herrlich nach Frühling. (Klammern wir mal aus, dass es jetzt wieder anfängt zu schneien…) Geht’s euch auch so? Wenn ich mich nur nicht andauernd fühlen würde als trüge ich ein zu enges Korsett um den Brustkorb. Immerzu ist der halbe Vormittag im Eimer, weil ich das Gefühl habe, kaum Luft zu bekommen. Obwohl… Dank ein paar Übungen geht’s mir mittlerweile schon wieder besser.


Vieles kann atemlos machen

Man könnte jetzt denken, meine Atemnot resultiert ganz einfach aus meiner Schwangerschaft. Kein so doofer Gedanke und es ist wohl auch was dran. Abgesehen davon möchte ich mich hier aber auf ganz andere Ursachen begrenzen, vor allem auf solche aus dem orthopädischen Spektrum, von denen einige auch mich on top ärgern. Zum Beispiel:

  • Blockierte Brustwirbel
  • Skoliose
  • Fehlbelastungen
  • Brustkorbverformungen (z.B. Trichterbrust, wie man sie beim Marfan-Syndrom finden kann)
  • ein irritierter Vagus-Nerv in Folge irgendwelcher Dysbalancen im Bereich der Kopfgelenke
  • ein gereizter Nervus phrenicus, der irgendwo zwischen C3 und C5 entspringt und aufgrund der Reizung das Zwerchfell nicht mehr gut innervieren kann
  • oder, und so ist es ja meistens, die Kombi aus all diesen oder anderen ineinandergreifender Faktoren

Ganz wichtig: Atemnot kann ein Symptom vieler Erkrankungen sein, die nichts mit dem Bewegungs- und Halteapparat zu tun haben. Deshalb ist es in so einem Fall immer sinnvoll, einen Arzt aufzusuchen, damit er ernsthafte Ursachen für euch ausschließen kann.
Bleibt am Ende nichts Eindeutiges übrig, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass ein muskuläres Problem dahintersteckt. Und da gibt’s gute Abhilfe. Dazu gucken wir uns am besten den Hauptatemmuskel an. Denn der ist, fast egal, welches orthopädische Problem vorliegt, fast immer mit von der Partie.

Das Zwerchfell

Das Zwerchfell (Diaphragma), ein großer Muskelschirm knapp unter unseren Rippen, ist der wichtigste unserer Atemmuskeln. Wandert es nach unten, Richtung Bauchorgane, erzeugt es in den Lungen einen Unterdruck und zieht somit Luft in sie hinein. Wandert es zurück nach oben, wird die Luft ausgestoßen. Wie jeder andere Muskel kann auch das Zwerchfell verhärten, wodurch das Atmen viel schwieriger werden kann. Das passiert zum Beispiel, wenn wir den ganzen Tag viel Stress haben, besonders in Kombination mit wenig Bewegung. Dadurch kann es vorkommen, dass wir automatisch immer flacher atmen (Brustatmung) und unser Zwerchfell verkümmern lassen. Dies hat wiederum Einfluss auf unsere Brustwirbel und viele andere Strukturen – als auch umgekehrt. Heißt: Ist das Zwerchfell beleidigt, sind es oft auch die Brustwirbel, die Zwischenrippenmuskeln, die Bauchmuskeln und alles, was sonst noch dranhängt. Henne oder Ei? Egal, wir wollen wieder frei atmen, oder?

Zwerchfellwellness

Also ist es doch irgendwie sinnvoll, das Zwerchfell ein bisschen zu verwöhnen. Zwerchfelle mögen zum Beispiel Bewegung, Beanspruchung und Herausforderungen. Das hält sie fit und gesund und lässt uns wiederum beschwerdefrei atmen. Wenn eben das nicht gut geht, muss man eben nachhelfen. Zum Beispiel so:

Liegen und atmen

Legt euch ganz flach auf den Boden, die Hände ruhen auf dem Bauch, knapp unter den Rippen. Atmet langsam ein und lasst euren Bauch hochkommen. Atmet danach doppelt so lange aus und wiederholt das Ganze. Auf diese Art wird die Zwerchfellatmung trainiert und verhärtete, verkürzte Bauchmuskeln (rectus abdominis) können entspannen. Steigerung: Legt ein paar Bücher auf euren Bauch. Dabei sollte kein Schmerz entstehen. Steigert euch bitte auch nur langsam.

Finger in der Nase

Naja, ganz stimmt das nicht. Die Finger sollen nicht in die Nase, sondern die Nasenlöcher nur leicht blockieren, sodass das Zwerchfell mehr zu tun hat, Luft einzusaugen. Beim Ausatmen werden die Finger weggenommen. Hier ein Video.

Stehen und dehnen

Für eine andere gute Übung gehts in den Stand. Schön aufrecht natürlich. Und dann wird wieder geatmet. Erst tief ein, aber Achtung! Beim Ausatmen dürfen nur ungefähr 30% Luft entweichen, der Rest bleibt schön in den Lungen und dehnt eure Zwischenrippenmuskeln. Auf diese Weise kann auch das Zwerchfell besser arbeiten. Sollte euch aber schwindelig werden, brecht bitte sofort ab! Legt eine Pause ein und probiert beim nächsten Mal einfach, etwas mehr Luft entweichen zu lassen, sodass mehr frischer Sauerstoff nachströmen kann. Achtet in jedem Fall auf die Signale eures Körpers! Hier ein detailliertes Video dazu.

Balleinsatz

Wenn das Zwerchfell so richtig bockig ist, könnt ihr mal versuchen, mit einem Tennisball oder einer etwas kleineren leicht nachgiebigen Kugel (professionelle Faszienkullern gibts hier*) entlang eures Rippenbogens zu wandern. Startpunkt ist euer Schwerfortsatz bzw. ein paar Millimeter daneben. Dann übt ihr leichten Druck aus und fahrt mit eurer Kuller über euren Rippenbogen. Was auch geht: Geht mit der Rückseite eures gebeugten Daumens vorsichtig unter eure Rippen zu euren Schmerzpunkten und drückt sie leicht aus. Möchtet ihr lieber ein Hilfswerkzeug? Dann könnt ihr zum Beispiel bei Liebscher und Bracht fündig werden. Die bieten ein für diese Übung passendes Drückerset an, das ihr hier * finden könnt.

Alles raus, alles zu

Noch eine andere schöne Übung habe ich bei Liebscher und Bracht gefunden, aber auch schon andernorts kennenlernen dürfen. Sie ist eine super Aufbauübung, nachdem das Zwerchfell schön entspannt „gedrückt“ wurde. Zuerst: Im Sitzen tief einatmen und langsam und lange ausatmen. Wichtig: Ein durch die Nase, aus durch den leicht geöffneten Mund. Wieder ein, und nun! so viel wie möglich ausatmen, nicht aufhören, immer mehr Luft soll raus, raus, raus! Danach bitte wieder normal atmen, nicht sofort in den nächsten Zyklus.

Noch einmal. Einatmen und so viel wie möglich ausatmen. Geht nichts mehr? Dann lass dich mit dem Oberkörper nach vorn fallen. Atme mehr aus. Mehr, mehr, mehr… Und Schluss! Komm wieder hoch und entspanne. Atme normal.

Nächste Runde. Wieder kommt etwas hinzu. Nachdem alle Luft raus ist und du mit dem Oberkörper wieder hochkommen willst, halte Nase und Mund zu und beginne, Luft anzusaugen (was natürlich nicht funktioniert, denn Nase und Mund sind ja geschlossen). Ein Video dazu findest du hier

Singen

Ja, ja, Singen ist wunderbar, um das Zwerchfell zu trainieren. Es wird dabei schließlich vielseitig eingesetzt. Unter der Dusche, in der Küche oder auf der Wiese, vor allen Nachbarn – egal, Hauptsache, das Zwerchfell hat Spaß dabei. Noch besser ist es natürlich, dabei ein bisschen auf die richtige Atmung zu achten. Dabei kann es wirklich helfen, sich mal im Bereich der Atemübungen speziell für Sänger umzuschauen. Hier zum Beispiel.

Tapen – Zwerchfell

Mensch, da hätte ich doch beinahe die Wunderwaffe schlechthin gegen Atemnot vergessen. Aufgepasst, es wird klebrig! Aber dafür kurz und bündig. 😉

Zur Unterstützung des Zwerchfells könnt ihr versuchen, euch mal zu tapen. Nehmt ein großes Stück, sodass es gut um den vorderen Teil eures Brustkorbs passt. Schneidet vor dem Einsatz aber unbedingt die Ecken rund, sonst wird sich das Tape schneller wieder von der Haut ablösen.

Nun faltet das Tape, sodass ihr die Mitte ausfindig machen könnt. An eurem Knick reißt ihr das Papier von oben nach unten ein und schiebt die entstandenen Risskanten etwas zur Seite.

Die Mitte eures Tapes ist nun bereit, knapp unter eurem Schwertfortsatz geklebt zu werden – aber ohne Zug. Nun entfernt auch nacheinander das Papier der beiden rechts und links verlaufenden Tapeenden und klebt sie entlang eures Rippenbogens fest. Lehnt dabei euren Oberkörper stets ein wenig nach hinten. Wenn ihr fertig seid, streicht das Tape nochmal fest, sodass es besser hält. Hier nochmal eine genauere Anleitung und wie es am Ende aussehen sollte. Und hier könnt ihr euch Tapes** kaufen.

Tapen – Halsdreher

Was wohl der Hals und das Zwerchfell miteinander zu tun haben? Na einiges! Alles ist mit allem verbunden, erinnert ihr euch? Und wenn ihr mal genau in euch spürt: Wenn ihr Atemnot habt, fühlt dich doch auch der Hals-Nacken-Bereich irgendwie verkrampft an, oder? Deshalb ist es nie verkehrt, auch dort zu tapen. Mein besonderer Tipp: Die beiden vorderen Halsdreher (Musculus sternocleidomastoideus). Das Prozedere ist auch gar kein Kunststück, versprochen. Ihr schneidet euch einfach ein Stück Tape zurecht, das lang genug ist, den gesamten Halsdreher zu erfassen. Und dann klebt ihr es ohne Zug da drauf. Fertig. 😉

Tapen – Nacken

Wenn im Nacken die Wirbel knacken… Ok, wieder ernsthaft: Wir haben gelernt, irgendwo zwischen C3 und C5 tritt der Nervus phrenicus aus, also der Nerv, der unser Zwerchfell innerviert. Wenn aber ausgerechnet im Bereich dieser Wirbel Tumult herrscht, kann es passieren, dass dieser Nerv nicht mehr richtig arbeiten kann und das Zwerchfell somit eben auch nicht. Tapen kann helfen, allerdings braucht ihr dafür Hilfe. Am besten die eines geschulten Therapeuten oder Arztes. Ich für meinen Teil nötige meist meinen Mann, „da hinten“ für Ruhe zu sorgen. Zum Beispiel so:

Mein Kopf ist nach vorn gebeugt und links und rechts der Wirbelsäule wird wieder ohne Zug ein Tape gesetzt. Spitz zulaufen muss es meinetwegen nicht unbedingt, aber kann man ruhig machen.

Natürlich gibt’s mit dem Tape noch viele andere Möglichkeiten. Die gezeigten sind die, die mir helfen. Mehr Input gibt’s auf YouTube oder besser noch: Bei euren kompetenten Experten. 😉

Ausprobieren lohnt sich

Ich hoffe, die Übungen helfen dem einen oder anderen. Probiert sie aber bitte mit Vorsicht aus und immer auch erst nach Rücksprache mit eurem Arzt. Wenn ihr merkt, euch wird komisch, brecht unbedingt ab und schaut, ob ihr die Übung nach einer angemessenen Pause ein wenig abmildern könnt. Oft ist weniger ja sowieso mehr. 😉


unbezahlte Werbung = *; Affiliate-Links/Werbung = **


Fotos: Elina Fairytale – pexels.com, Adrian Rosco – unsplash.com, Nastiz – pexels.com, Traces Hocking – unspalsh.com, Felipepeaquim – unspalsh.com