Einen Monat nach der Fehlgeburt sitze ich wieder mal auf der Couch und häkle. Zwar keine Babymützen, doch das fühlt sich gar nicht mehr so schlimm an. Genaugenommen bin ich sogar dankbar. Naja, so dankbar wie es eben geht.


Die erste Woche

Die erste Woche danach war am schlimmsten. Ich konnte nirgendwohin, ohne an diesen schrecklichen Abend denken und unkontrolliert weinen zu müssen. Ob ich wollte oder nicht: Ich ließ raus, was raus musste – egal wo, egal wann, egal vor wem. So tiefe, kolossale Verzweiflung lässt sich nun mal nicht verstecken.

Doch ich weinte nicht nur, weil unser Kind fort war und somit auch unsere neuen Pläne und Hoffnungen. Ich weinte ebenso vor Freude, weil mir so viele Menschen Trost und Mitgefühl spendeten. Ihr könnt mir glauben: Ich genoss jedes einzelne liebe Wort wie eine intensive Umarmung und kann meinerseits nur jedem raten, sich nach so einem schlimmen Erlebnis nicht zu verstecken, sondern so viel Trost einzusammeln wie nur möglich. Das ändert natürlich nichts. Aber Alleinsein eben auch nicht. Damit möchte ich keinesfalls andeuten, dass manche Arten der Trauer besser sind als andere, nein. Seht es als Impuls, mit dem ihr selbstverständlich ganz ungezwungen machen könnt, was ihr wollt. Für mich war Kontakt zu anderen genau das Richtige.

Mein Mann, der Held

Natürlich waren da auch die obligatorischen Empathiewüsten, also Leute, die es fertigbringen, in Zeiten größten Unglücks reflexartig nichts als Vorwürfe und Boshaftigkeiten abzusondern. Oder sogar Ignoranz. Doch ich konnte das zum Glück ausklammern. Und mein Mann war ja da, um mich zu beschützen. Er kann das gut. 😉

Ihm gebührt ohnehin der größte Dank. Etwa drei Tage später, als ich an einem neuen Tiefpunkt angelangt war, sagte er mir etwas so Trostvolles, dass ich schlagartig nicht mehr weinen, sondern sogar lächeln musste. Ohne zu viel aus dem Nähkästchen zu plaudern: Er erinnerte mich an mein ganz persönliches, eigentlich bis dahin sehr stark verankertes Bild von Leben und Tod; daran, dass beide für mich weder für gut oder schlecht noch für hier oder verschwunden stehen. Unsere Kleine ist nicht verschwunden. Weil niemand nach dem Tod einfach verschwindet. Sie befindet sich noch immer bei uns und wird irgendwann, da bin ich sicher, neuen Anlauf nehmen, sich in mir einkuscheln, wachsen und zu unserem dritten Engel/Teufel (^^“) werden. Und darauf freue ich mich schon.

Wie hätte ich das schaffen sollen?

Mit dem Frieden kam auch Dankbarkeit. Dafür, dass nicht ich entscheiden musste, ob unser Kind gehen muss. Die Natur, wie man so schön sagt, oder Gott, vielleicht unsere Kleine selbst, nachdem wir so hart miteinander verhandeln mussten, oder mein Körper – völlig egal, nur musste nicht ich entscheiden, dass meine Schwangerschaft endet. Wie hätte ich das auch schaffen sollen? Ich meine, wenn ich nun falsch entschieden hätte?

Danke.