Das deutsche Verfassungsgericht hat entschieden: Sterben ist ab sofort erlaubt! Ein Grund zum Jubeln, wie ich finde, insbesondere für Menschen, die den Zeitpunkt ihres Todes nicht von der mechanischen Beharrsamkeit einer Maschine abhängig sehen wollen. Und auch ich atme auf.


Nur für den Fall

In letzter Zeit sind mir besonders viele Gedanken über den Tod durch den Kopf gegeistert. Nicht nur, weil ich Sterbebegleiterin werde, sondern weil ich finde, dass es für mich an der Zeit ist, Vorsorge zu tragen – nur für den Fall.

Mittlerweile wisst ihr ja schon: Der Tod ist in meinen Augen nichts Schlimmes. Dort, wo mich dereinst „das Licht“ empfängt, glaube ich, gibt es etwas – etwas Schönes. Und alles, worüber ich mir im Leben den Kopf zerbrochen habe, wird sich in das große bis dahin unbegreifbare Ganze einweben. Ich werde wieder eins sein mit dem, was eben da ist, so, wie ich es vor meiner Geburt war, und in einen Zustand absoluter Genugtuung eintreten. Klingt doch nicht verkehrt, oder?

Was das Sterben betrifft, empfinde ich anders. Viele meiner Symptome, besonders wenn sie gebündelt auftreten, fühlen sich oft so an als würde mir von einem stümperhaften Folterknecht halbherzig der Kopf abgehackt. Halb geköpft, zwischen Leben und Tod, warte ich sehnlichst auf den finalen Schlag. Doch der Folterknecht hat leider Feierabend.

Glücklicherweise enden solche Zustände nach einer Weile, doch wer weiß, wie lange ich das noch erwarten darf. Einige, die CCI/AAI besonders schlimm erwischt hat, die bettlägrig sind und ununterbrochen auf der Schwelle zwischen Leben und Tod umherwandeln müssen, hatten bislang nur einen einzigen Ausweg aus dieser Hölle: Sie mussten sich selbst den Gnadenschlag schenken – weil niemand da war, der es für sie tun durfte.

Eine schöne Perspektive

Auch mir könnte es irgendwann so ergehen. Darum dachte ich oft: „Wenn meine Symptome gar nicht mehr auszuhalten sind, wie kann ich es dann beenden?“ Nicht dass ich dringend tot sein möchte… Doch ist der Tod, verglichen mit endlosen Qualen, nicht die bessere Alternative? Meine Gedanken kreisten vor allem um das Wie. Spontan fiel mir keine einzige Variante der Selbsttötung ein, die zuverlässig schnell und unmerklich stattfindet, also so, wie beispielsweise ein Arzt es mit einem entsprechendem Präparat erfüllen könnte.

Doch ebendas war in Deutschland bisweilen undenkbar. Sterbehilfe im Sinne einer geschäftsmäßig assistierten Selbsttötung, die hingegen in der Schweiz seit Langem straffrei betrieben wird, war strikt verboten. Das ärgerte nicht nur schwer Erkrankte, die ihr Leben nur noch als Gefängnis wahrnahmen, sondern auch Ärzte, denen für Sterbehilfe mit Strafe gedroht wurde. Mit dem heutigen Tag hat sich das geändert.

Kein Mord!

Aber: Die neue Regelung gestattet keinen Mord! Niemand, ob Arzt oder Blutsverwandter, ob auf Wunsch oder unfreiwillig, darf einen Menschen aktiv, also durch eigenes Handeln, töten! Entsprechend qualifizierten Personen ist es hingegen erlaubt, Menschen auf deren ausdrücklichen Sterbewunsch hin, ein tödlich wirkendes Medikament zugänglich zu machen. Die betreffende Person muss und darf dieses Medikament jedoch selbst einnehmen!

Ich finde diese Entwicklung sehr beruhigend. Für mich selbst, für Ärzte, denen bis jetzt die Hände gebunden waren, und für schwer erkrankte Menschen, die nicht länger gezwungen sind, halb geköpft auf den Tod zu warten. Eine wunderschöne Perspektive.