Wer von euch ist gesund? Oder anders formuliert: Wer von euch hat sich nach jahrelanger Quälerei von einem zum nächsten Arzt endlich damit abgefunden, dass er eigentlich nicht krank sein dürfte?


Dürfen und nicht dürfen

„Einen Hörsturz dürften Sie gar nicht haben, Sie sind viel zu jung!“, wurde mir vor Jahren vorgeworfen, nachdem ich mit taubem Ohr, einer deutlichen Hörminderung und dem Gefühl von Watte im Gehörgang ein Krankenhaus betreten hatte.

„Ach so!“, erwiderte ich grantig. „Wenn ich gewusst hätte, dass ich das nicht darf, wäre ich selbstverständlich erst in ein paar Jahren daran erkrankt …“

Schon damals war mir einfach unbegreiflich, was Alter und Krankheiten miteinander zu tun haben sollen. Dass es Statistiken gibt, die für eine hohe Anzahl verschieden alter Leute eine gewisse Häufigkeit herausgestellt haben, wusste ich zwar. Doch ich sah und sehe bis heute nicht, welche Vorhersagekraft sich daraus für den Einzelnen ergibt. 

„Sie sind über 80, Sie dürfen Knieschmerzen haben!“, höre ich dem gegenüber oft von älteren Menschen, die entrüstet ihren Arzt rezitieren. Was das wiederum bedeutet, müsste klar sein: Sobald man alt ist und somit endlich in das statistische Schema passt, hat man seine Wehwehchen gefälligst zu akzeptieren und Dankbarkeit auszustrahlen. Schließlich ist doch das Allerwichtigste, dass man noch nicht unter der Erde liegt.

An dieser Stelle erlaube ich mir mal, einen Strich zu ziehen und zu resümieren:

Ist man für seine Symptome zu jung, wird einem verboten, sie zu haben. Und ist man schließlich alt genug dafür, darf man sie behalten.

Ich frage mich: In was für einer verdrehten Welt leben wir eigentlich?


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