Das schulmedizinische Paradigma betrachtet eine Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen klassischerweise als getrennt voneinander existierende Komorbiditäten, ohne in Betracht zu ziehen, dass diese einer gemeinsamen Ursache entspringen könnten. Symptombekämpfung ist en vogue, während Ursachensuche nur für jene mit einer Vollmeise in Frage zu kommen scheint.


Gerade stelle ich mir die Frage, wie Krankheit, heruntergebrochen auf ein einziges Kernmerkmal, konkret definiert werden könnte. Das Fehlen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens kennen wir ja bereits, nur ist diese Umschreibung viel zu undurchsichtig. Doch im Kern ist Krankheit, egal, worum es sich handelt, letztendlich eigentlich nichts anderes als ein Mangel an Energie – in jedwedem Sinne.

Wunderbar, nicht? Dann ist es doch nicht schwierig! Wir müssen nur Ausschau nach Energiequellen halten. Gutes Essen käme da in Frage oder eine anständige Schlafhygiene. Aber am besten fragen wir jemanden, der es genauer wissen müsste: das Mitochondrium.

Klitzekleines Wunderwerk

Mitochondrien sind, einige wissen es vielleicht noch aus dem Biologieunterricht, die Kraftwerke unserer Zellen. Sie stellen dem Organismus über die sogenannte Atmungskette Energie in Form von Adenosin-Triphosphat (ATP) bereit. Anders formuliert wird in Glukose umgewandelte, verdaute Nahrung über den Blutkreislauf in unsere Zellen geleitet, wo sie durch Oxidation/Zellatmung umgewandelt wird in Speicherenergie. Auch beim Fettsäureabbau sind Mitochondrien aktiv und obendrein dienen sie als Kalziumspeicher.

Ziemlich fragil

Ein Nebenprodukt der Atmungskette sind Sauerstoffradikale. Unglücklicherweise reagieren Mitochondrien auf diese sehr empfindlich, was allerdings nicht bedeutet, dass keinerlei Schutzmechanismen für ihr Intaktbleiben parat stünden. Glutathionperoxidase beispielsweise. Neben Selen benötigt unser Körper hierfür Glutathion, was er zwar selbst herstellen kann, doch sobald ein Übermaß an Sauerstoffradikalen erreicht ist, setzt diese Schutzfunktion aus und die Mitochondrien nehmen Schaden. Die Konsequenz ist, dass das Energielevel mehr und mehr absinkt, was zu Erschöpfung, Müdigkeit und Krankheiten führt (Kuklinski & Schemionek, 2020).

Übrigens: Entgiftungsprozesse der Leber, wie sie unter anderem nach Medikamenteneinnahme stattfinden (müssen), verbrauchen Unmengen Glutathion. Ein Beispiel wäre das Alltagsschmerzmittel Paracetamol (ebd.).

Der Supergau

Eine ähnlich destruktive Wirkung hat, wie an vielen Stellen innerhalb meines Blogs bereits ausgeführt, nitrosativer Stress, also ein Zuviel an Stickstoffmonoxid (NO). NO greift Mitochondrien an und verhindert somit die Energiegewinnung. Kommen Sauerstoffradikale und nitrosativer Stress zusammen, bedeutet dies sowas wie den physiologischen Supergau – und zwar in Form eines weiteren Radikals: Peroxynitrit. Dieses greift letztendlich in alle Körperprozesse und -systeme ein; ein Teufelskreis beginnt: Betroffene ertragen keinerlei Stress mehr. Werden sie dennoch damit konfrontiert, geraten sie zugleich unter einen Sauerstoffradikal-Dauerbeschuss, was ihren Zustand weiterhin verschlimmert. Krankheiten, die auf Dauer resultieren, sind beispielsweise Fibromyalgie, Alzheimer, Migräne, CFS (Chronisches Erschöpfungssyndrom; insbesondere bei einer zusätzlichen Belastung durch Viren oder Bakterien, Kuklinski & Schemionek, 2020), Epilepsie, MS, Diabetes, AD(H)S und viele mehr.

Wie war das noch gleich mit dem Stress?

Vor allem Menschen, deren Mitochondrien in ihrer Gesamtheit zu 40% oder mehr geschädigt sind, reagieren in extremer Form auf Stress. Das ist deshalb so, weil sich hinter diesem Wert eine Grenze verbirgt, außerhalb derer effektive Schadenskompensation nicht mehr erreicht werden kann. Selbstredend ist hierbei allein die individuelle Beurteilung entscheidend und keinesfalls irgendein objektiver Maßstab (Stichwort „Psychoschiene“).
In meinem Fall bedeutet Stress Konflikte mit meinen Mitmenschen, egal ob vis-à-vis, am Telefon oder in Textform. Mitunter reicht schon eine vorwurfsvolle oder aggressive Stimmlage und mein Blutdruck schnellt sofort in die Höhe, mein Herz beginnt zu rasen und ich bekomme unheimlichen Druck im Kopf.
Du musst dich solchen Situationen stellen!„, geistert mir in solchen Momenten oft durch den Kopf. Ebenso kehre ich immer wieder die Ergebnisse vergangener tiefenpsychologischer Sitzungen hervor, in denen ich kennenlernte, wo meine ausgeprägte Konflikt-Intoleranz wurzelt. Ich kenne die Gründe. Doch soll ich euch was sagen? Es kommt trotzdem nicht in Frage, dass ich den Dickkopf spiele.
Denn ich empfinde es nicht als Schande, das Weite zu suchen, sobald ich in eine Stresslawine zu geraten drohe. Ich betrachte mein Handeln eher als Selbstschutz und ebenso als gutes Mittel, ein Statement zu setzen, wie etwa: „Grenze überschritten. Ich gehe“ oder „Wenn du dich nicht benehmen kannst, musst du den Rest des Tages ohne mich auskommen.“ Selbstverständlich bin ich deshalb noch lange kein scheues Reh, das beim kleinsten Mucks ins Gebüsch springt. Im Zweifel erinnere ich mich einfach an ein paar kleine Tricks:

  • die Situation mit Humor nehmen
  • kurz ein- und lang und bewusst ausatmen
  • eine kugelsichere Weste visualisieren
  • abwägen: Muss ich mich jetzt wirklich so sehr ärgern oder besteht in Wirklichkeit gar kein Grund dazu (Stichwort Missverständnis)?
  • Verwunderung zeigen anstatt Ärger
  • einen Handschmeichler in der Tasche haben und im Notfall benutzen
  • Kaugummi kauen, denn Kauen regt den dämpfenden Vagus-Nerv an und beruhigt somit (sollen die anderen halt gucken)
  • Alkohol weglassen (woran ich mich eigentlich nicht erinnern muss, da ich Alkohol sowieso nicht mag, aber der Vollständigkeit halber…)

Was kann man den Mitochondrien Gutes tun?

Im vorletzten Beitrag und auch an weiteren Stellen gab es bereits Hinweise auf die entscheidende Rolle von Vitamin B12 bei der Eindämmung von NO. Allerdings verlangt die Therapie kaputtgegangener Mitochondrien weitaus mehr. An dieser Stelle möchte ich mich in Sachen Zitation jedoch zurückhalten und eindringlich dieses Buch empfehlen:

Darin sind neben allerhand Informationen zu Mikronährstoffen ebenfalls sehr gute Tipps enthalten, wie eine mitochondrienfreundliche Lebensweise aussehen könnte. Und ja, neben Mikronährstoffen sind dabei eine gute Ernährung und erholsamer Schlaf besonders wichtig.

Gute Schlafhygiene bedeutet beispielsweise:

  • schlafen bei offenem Fenster/vor dem Schlafengehen stoßlüften
  • keine technischen Geräte im Schlafzimmer
  • Keine Haustiere im Schlafzimmer, die stören könnten
  • vor allem Instabilos sollten ein gutes Nackenkissen verwenden, um den nitrosativen Stress nachts möglichst gering zu halten

Ernährungsempfehlungen a la „Essen wie ein Steinzeitmensch“

  • viel Gemüse
  • wenn Brot, dann aus Vollkorn
  • Weißbrot, Kartoffeln und Reis sind tabu
  • Zucker ist tabu
  • Obst wegen des Fruchtzuckers in Maßen (Äpfel, Birnen, Kiwis, nicht: Bananen, Weintrauben, Ananas)
  • mageres Fleisch, Fisch, Nüsse

Eines sollte aber keinesfalls vergessen werden: Bewegung. Nicht im Übermaß, denn dadurch leiden unsere Mitochondrien nur noch mehr. Gemütliche Spaziergänge an der frischen Luft sind hingegen wahre Akkuauffüller. Denn Sauerstoff hemmt die Bindung von NO an die Mitochondrien (Kuklinski & Schemionek, 2020).

Ich möchte allerdings ehrlich mit euch sein: Mitochondrienfreundlich zu leben bedeutet mitunter eine große Umstellung. Doch meine Erfahrung zeigt: Es lohnt sich.

Übrigens: Mitochondriales Genom wird durch die Mutter vererbt, der Vater hingegen hat daran keinerlei Anteil. Dies sollte im Falle eines Kinderwunsches bedacht werden, damit rechtzeitig für eine gute therapeutische Betreuung Sorge getragen werden und das Baby beste Chancen haben kann, sich zu entwickeln.

Komplette Heilung möglich?

Hinter zunehmenden Symptomen bei Instabilos verbergen sich also nicht ausschließlich „verschobene“ Wirbel, Blockaden oder „Bandscheibe“. Es sind vor allem die sich mit der Zeit häufenden Defekte an unseren Mitochondrien, die danach schreien, repariert zu werden. Aber ist das überhaupt möglich?

Ich behaupte es. Doch um ehrlich zu sein, steckt die Forschung diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Es ist nicht klar, ob ein gewisses Schadensausmaß eine vollständige Regeneration unserer Mitochondrien verbietet und welche Indizien darauf hinweisen würden. Aber mal unter uns: Spielt das eine Rolle? Der menschliche Körper ist ein Wunderwerk und fähig, jede Erkrankung zu überwinden. Wer will, der kann, denke ich. Wer aufgibt, hat schon verloren.


Quellen:
Kuklinski, B. & Schemionek, A. (2020). Mitochondrientherapie – Die Alternative. Aurum.
Kuklinski, B. (2018). Das HWS-Trauma – Ursachen, Diagnose und Therapie. Aurum.