Ich liebe Bücher, besonders solche, die mir Hoffnung spenden. Bücher, die sich von meiner Hoffnung ernähren, können mir hingegen gestohlen bleiben. Etwas Gutes kann ich ihnen aber trotzdem abgewinnen.


Als ich mir „Der HWS-Stammtisch – Geschichten einer unsichtbaren Krankheit“ kaufte, erwartete ich keine Sammlung hübsch ausgeschmückter Erfolgsmärchen à la „Und wenn sie nicht gestorben sind …“ Happy Endings solcherart sind zwar nicht unmöglich, doch wer ein Buch über eine unsichtbare, innerhalb der ersten Jahre so gut wie gar nicht diagnostizierbaren Erkrankung in Händen hält, weiß, dass er auch mit Schattenseiten konfrontiert wird. Doch so viel, so düsterer Schatten auf einen Schlag? Ich bin unsicher, ob ich weiterlesen sollte.

Die schmerzliche Realität

Bei über der Hälfte des Buches angelangt frage ich mich, warum die Autorin dieses Titelbild auserwählt hat. Es zeigt vier Personen, zwei Männlein und zwei Weiblein, die sich rund um einen Tisch versammelt haben. Sie alle wirken recht unbeschwert, wodurch ihre gemeinsame Anomalie eher wie eine zu belächelnde Randerscheinung wirkt. Passt gut zum Titel, klar, aber nicht unbedingt zu den unerwartet schrecklichen Horrorgeschichten, die dem unvorbereiteten Leser Schlag auf Schlag serviert werden.

Eigentlich ist daran nichts zu kritisieren. Der Reihe nach sind die zum Teil fiktiv anmutenden symptomatischen Ausmaße einer Kopfgelenksinstabilität in Form persönlicher Geschichten festgehalten. Betroffene beschreiben detailliert, wie ihr Martyrium begann, und wie viel Kraft es sie gekostet hat, entgegen massiver Demütigungen und Fehldiagnosen der Ärzte der Ursache ihrer Erkrankung auf die Schliche zu kommen. All das entspricht nicht weniger als der schmerzlichen Realität, von der uninformierten Medizinern wahrlich eine Kostprobe zuteil werden sollte. Für mich als Betroffene ist sie hingegen kaum zu ertragen.

Besonders die Geschichte einer jungen Frau wird mir noch eine Weile im Gedächtnis bleiben. Zielstrebig, lebensfroh, liiert und kurz vor ihrem Abschluss liegt vor ihr ein ebenmäßiger Weg in eine harmonische Zukunft. Während eines Ausflugs rutscht sie aus, fällt auf den Rücken und ist fortan ein Wrack. Nach zahllosen verzweifelten Versuchen, Hilfe zu finden und ihr altes Leben zurückzubekommen, geht sie schließlich unter Folter zugrunde. Dass sie es überhaupt soweit geschafft hat, grenzt in meinen Augen an Übermenschlichkeit.

Solche Geschichten sind wichtig

Einerseits wünschte ich, diesen Buch niemals aufgeschlagen zu haben, denn es erinnert mich daran, dass auch ich in einer brenzligen Situation stecke. Doch dieses Wissen ist für mich nichts weiter als ein Klotz am Bein. Andererseits stelle mir vor, wie es wäre, würde nur ein Arzt dieses Buch lesen und damit beginnen, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wenn nur einem Menschen mit CCI umso schneller geholfen würde, hätte dieses Buch seinen Zweck mit herausragender Bravur erfüllt.

Ich weiß nicht, ob ich weiterlesen werde. Doch eines weiß ich: Solche Geschichten sind wichtig.