Wart ihr auf einer Autofahrt schon einmal so wütend, dass ihr euer Auto am liebsten in der nächsten Fassade geparkt hättet? Heute wäre mir das fast passiert. Das Gute daran: Meine typischen Roadtrip-Symptome waren offenbar so eingeschüchtert, dass sie nicht einen Mucks von sich gaben.


Wozu selber denken?

Geplant war eigentlich ein Familien-, kein Mutter-Tochter-Ausflug. Leider plagt sich unser Sohnemann derzeit mit Husten und einer Schnupfnase, weshalb er mit Papa, der sich tagelang sooo sehr darauf gefreut hatte (erkennt man den Sarkasmus?), zu Hause bleiben musste. Für mich bedeutete das: selber fahren. Eine Stunde hin, eine Stunde zurück – das wollte ich, obwohl diese Dauer für mich fast mehr als das Höchste aller Gefühle ist, gern in Kauf nehmen. Denn verdammt nochmal: Ich liebe Mittelaltermärkte!

Ohne Google Maps geht bei mir natürlich gar nichts, da gibt’s auch wirklich kein Vertun. Ich, die es immer wieder fertigbringt, sich in einem Kreisel mit nur zwei Ausgängen für die falsche Option zu entscheiden, braucht ganz einfach eine verlässliche und unkomplizierte Orientierungshilfe. Wozu Schilder lesen und selber denken? Habe schließlich genug damit zu tun, meine terroristischen Symptome (Schwindel, Herzrasen, Schweißausbrüche, Vibrieren, massiver Kopfdruck und plötzliche Unterzuckerung) zu unterdrücken. Falls jemanden interessiert, wie: Musik aufdrehen und lautstark mitsingen. Am besten wirken bei mir Michael Jackson, Poets of the Fall und Enya. Letzteres insbesondere, wenn ich meinen Mann ärgern will, nicht so sehr, weil ich es mag. Und ja, so viel Zeit muss auch angesichts eines abstürzendes Nervensystems sein. Wo kämen wir denn sonst hin?
Dass Symptome mich beim Fahren heimsuchen, hat natürlich mit der eingepferchten Haltung zu tun und dem Mangel am Bewegung, die sich hinter einem Lenkrad eben so einstellt. Doch all das traute sich heute kein Stück aus seinem Versteck. Meiner Lieblingsmusik war das allerdings nur teilweise zu verdanken.

Fräulein Google, geh doch nach Hause

Unsere Fahrt war von Anfang irgendwie verquarzt. Und zehn Minuten vor unserem Ziel tauchte auch noch eine Absperrung auf. Links keine Straße und nirgends ein Umleitungsschild; mir blieb also nur der Weg nach rechts. „Fräulein Google, du machst das schon“, dachte ich und fuhr optimistisch einige Kilometer über eine geschlängelte Route. Zwölf Minuten später erreichte wir ein Dorf, wo ich der weiblichen Navi-Stimme zufolge links, sofort danach nochmal links und dann scharf rechts hätte fahren sollen. Das Problem war allerdings: Ich stand bereits ziemlich dicht vor dem Tor zu einem Bauernhof und um mich herum war nichts als Kuhweide. Gut, mit ein bisschen Fantasie und wenn ich zeitgleich ein Auge zusammenkniff UND wenn ich die Definition für „befahrbar“ ein wenig dehnte, konnte ich mir zwischen ein paar Holzpflöcken eine Straße zurechtspinnen. Aber ganz überzeugt war ich nicht. Und meine ernstzunehmende Beifahrerin ebenso wenig („Ich glaube, da geht’s in die Wüste. Da muss man sich nachts in den Sand eingraben, damit man nicht erfriert.“).

„Bin vermutlich irgendwo zu spät abgebogen„, entnahm ich den verwunderten und auch etwas ängstlichen Blicken vorbeilaufender Einheimischer und fuhr die Strecke langsam zurück, um nach dem verpassten Abzweig zu suchen. Indessen ging mir Fräulein Google tierisch auf den Kranz. „In 200 Metern links abbiegen in Schlossstraße„, faselte sie, als ob sie sich wichtig machen wollte.

„Wer hat denn diese Welt gebaut?!“, echauffierte sich mein zuckersüßes Anhängsel sehr scharfsinnig, während ich dabei war, mit 100 über eine kilometerlange Gerade zu rasen. Gefühlt entfernte uns die nur noch weiter von unserem Ziel, aber immerhin waren wir endlich raus aus der Vorwürste.

Wenns bei Ratten und Menschen klappt, klappt’s auch bei Google

Nach einer Weile schien Fräulein Google zu resignieren. Ununterbrochen bekam ich ihre in einem einzigen, lästigen Ton konzentrierte Unzufriedenheit über mein renitentes Fahrverhalten zu hören. Darauf gab ich natürlich nichts. Denn Fehlverhalten, wusste schon der alte Skinner, kann nur beseitigt werden, wenn man gar nicht erst drauf reagiert. „Wenn’s bei Ratten und Menschen klappt, klappt’s auch bei Google„, witzelte ich und siehe da! Madame unterließ ihr Gemeckere und führte mich fortan überraschend zuverlässig durch sämtliche Dörfer. Ein kleines Triumphgefühl umfing mich, schien doch mein Psychologiestudium endlich mal Früchte zu tragen – zumindest bis ich begriff, dass ich wieder vor der Baustelle stand. Na toll.

Mit ein bisschen Wut im Bauch überflog ich nochmals meine Möglichkeiten: Fräulein Google noch eine Chance geben, nach Hause zurückkehren, die Karte vor mir selbst nach einem Umweg absuchen. Meine Entscheidung fiel eindeutig aus: Ich fuhr eiskalt durch die Baustelle.

Aber keine Bange, die Straße war noch/wieder gut befahrbar, sodass weder unser Auto noch die Strecke zu leiden hatten – was übrigens noch ein Punkt war, der mich tierisch aufregte: Hätte es nicht wenigstens eine echte Baustelle sein können, die mir den letzten Nerv raubte?

Endlich in der Zielortschaft angekommen musste ich noch ein paar Mal im Kreis fahren, bis wir endlich den holprigen Weg zur Burg fanden, und auch tatsächlich vor der Dämmerung ankamen. Ich sage euch: Das war eine Fahrt. Immerhin konnten unsere Tochter und ich doch noch einen tollen Tag verleben. Hartnäckigkeit zahlt sich eben aus. 😜