So einfach, wie es aussieht, ist es nicht. So ließe sich das Leben mit kraniozervikaler Instabilität in einem Satz beschreiben.


Flucht ergreifen

Außenstehenden fällt in der Regel nicht auf, wie viel Kraft mir selbst einfache Dinge abverlangen. Zum Beispiel Einkaufen. Sobald ich ein Geschäft betrete, ist es, als würden sämtliche Farben ungefiltert durch meine Pupillen zischen. Die vielen Muster auf den Verpackungen und das grelle Licht wirken wie Stromstöße auf mein Nervensystem, sodass ich mit der Zeit Schwindelgefühle entwickle. Am liebsten möchte ich dann sofort die Flucht ergreifen, ins Freie rennen und ab nach Hause fahren, wo ich sicher bin.

Angst oder Symptome

Als Beobachter möchte man vielleicht sagen: Das klingt doch wie eine Angsterkrankung! Und ganz falsch ist das auch nicht. Sobald ein oder mehrere Reize mein Fass zum Überlaufen gebracht haben und Symptome entstehen, reagiere ich tatsächlich mit Angst. Wer aber würde keine Angst bekommen, wenn unter ihm der Boden zu wackeln beginnt? Oder das Herz mit einem Mal doppelt so schnell schlägt, während das Sichtfeld allmählich dunkel wird? Da beißt sich die Katze wirklich in den Schwanz. Denn auch bei einer Angsterkrankung ist nicht immer klar, was zuerst da war: die Angst oder die Symptome?

Sitzen ist wie eine Zwickmühle

Ob nun Henne oder Ei, die meisten Dinge sind für mich unheimlich kraftraubend. Selbst Sitzen, da meine Kopfgelenke innerhalb einer starren Position keinerlei Entlastung mehr erfahren. Bewegung führt nämlich dazu, dass eingeengte Strukturen, wie Blutgefäße oder Nerven, dann und wann aus ihrer Zwickmühle befreit werden. Das ist auch der Grund, weshalb ich auf Stühlen meist sehr unruhig wirke. Mal bewege ich meinen Kopf, mal meine Füße oder ich rutsche mit den Pobacken vor und wieder zurück wie ein zappeliges Kind. Elternversammlungen obliegen deshalb seit Jahren meinem Mann und ich setze mich auch nicht mit Freunden in ein Cafe.

Abgestempelt

Wer CCI/AAI hat, kann sich übrigens schon als glücklich betrachten, wenn er eine ärztliche Diagnose hat. Der Weg dorthin ist nämlich steinig, obwohl Betroffene Eins und Eins meist sehr flink zusammenzählen – im Gegensatz zu den Scharen von Ärzten, die sie um Beistand ersuchen. Als Hypochonder abgestempelt legt man all seine Hoffnung auf den nächsten Mediziner, der hoffentlich willens ist, die Zusammenhänge zu erkennen. Fingerspitzengefühl ist jedoch geboten, denn Ärzte lassen Selbstdiagnosen für gewöhnlich nur gelten, wenn ein ehrenwerter Kollege sie stellt.

Wie schon erwähnt, CCI/AAI ist kraftraubend. In Internetforen lese ich von Betroffenen oft ein vorwurfsvolles: „Wer es nicht kennt, weiß nicht, wie das ist.“ Oftmals klingt das so, als würde Gesunden vorgeworfen, nicht hinter die Fassade blicken zu können. Doch warum sollten sie? CCI/AAI ist nicht die einzige seltsame Erkrankung auf dieser Welt und ich wage sogar zu behaupten, dass es Schlimmeres gibt. Doch an manchen Tagen ist das leider nicht besonders viel.