Wäre meine Erkrankung sichtbar, stünde ich längst im Kreise der Schwerbehinderten. In letzter Zeit fühle ich mich allerdings so gut wie gar nicht mehr begrenzt.


Stein auf Stein

Heute zum Beispiel nahm ich an einem Online-Seminar teil und freute mich wie Bolle, dass ich damit einen weiteren Baustein auf den großen Wackelturm meines Studiums setzen konnte. Normalerweise wäre das ein Präsenztermin gewesen, doch durch Corona durften sich Unmengen Studierender um einen von wenigen raren Plätzen im virtuellen Raum bewerben. Diejenigen, die ein ärztliches Attest über eine chronische Erkrankung und somit vorweisen konnten, dass sie ohnehin nirgends hinfahren können, hatten dabei natürlich einen Vorteil.

Überhaupt läuft’s in letzter Zeit wirklich bombig!

Ein wenig schmarotzerhaft komme ich mir schon vor. Bisher habe ich mit meiner Erkrankung nie Sonderregelungen durchgesetzt. Nach meinem ersten Seminar wurde mir allerdings klar, wie viel Kraft allein so eine Anreise mir abverlangt. Dazu die fremde Umgebung, all die Reize, die Geräusche, das grelle Licht und die vielen Bewegungen. Am schlimmsten: nicht einfach aufstehen und eine Runde gehen zu können, also keinerlei Kompensation meiner Symptome. So eine Online-Veranstaltung ist da schon wesentlich angenehmer. Trotzdem hoffe ich sehr, niemandem einen Platz weggenommen zu haben, der ihn vielleicht noch nötiger gebraucht hätte. Ich gehe aber mal davon aus, dass ich mich gut damit fühlen darf.

Überhaupt läuft’s in letzter Zeit wirklich bombig! Ich denke dabei an mein zurückliegendes psychologisches Praktikum, welches mir riesigen Spaß und mich um einige Tonnen Dankbarkeit schwerer gemacht hat. Meine Bewerbung war ja nicht einmal geplant. Ich sah die Stelle im Internet, bekam warmes Bauchblubbern und verschickte ohne großartige Erwartungen eine Bewerbungsmail. Meine Entscheidung unterlag dabei keinerlei objektiven Grundlagen, wie beispielsweise irgendwelchen richtungsgebenden Eckpunkten meines Lebenslaufs. Ich hab’s einfach gemacht.

Hätte ich einen Zauberstab

Ihr glaubt gar nicht, wie ich froh ich war, als ich plötzlich eine Zusage hatte. Und ihr glaubt noch weniger, wie herzlich die Leute sind, mit denen ich arbeiten und von denen ich lernen durfte. Sowas gibt’s nicht oft. Sowas ist ein Geschenk, das einem immens viel Selbstvertrauen und Mut schenkt, weiterhin Neues zu wagen.

Es gab sogar Geschenke! Lasst euch nicht irritieren. Die Banenen verstehen nur Leute vom Fach. 😉

In all der Zeit hat meine Erkrankung wirklich kaum eine Rolle gespielt. Wahrscheinlich weil mein Fokus durchweg auf meiner Zufriedenheit darüber lag, wo ich gelandet bin. Ich gerate immer noch ins Schwärmen, wenn ich daran denke, und frage mich: Können die Menschen ab sofort nicht überall so lieb und wertschätzend sein? Hätte ich einen Zauberstab, wäre das auf jeden Fall meine erste und oberste Amtshandlung.

Leider habe ich keinen Zauberstab. Dafür aber leckeren Erdbeerkuchen. Auch so ein Baustein, der für mich großes Glück bedeutet und ein gutes Leben. Genaugenommen könnte ich ein ganzes Buch über die Herrlichkeit von Erdbeerkuchen schreiben. Wenn ich es mir genau überlege, ist „erdbeerkuchenherrlich“ aber auch wirklich das beste Wort, um zu beschreiben, wie sich mein Leben und all die Menschen darin derzeit für mich anfühlen. Ich hoffe, es geht für immer so weiter. ☺️ (Auch wenn ich Erdbeerkuchen eigentlich gar nicht essen sollte.)