Forscher an der Tulane University kamen womöglich einer genetische Ursache für Hypermobilität auf die Spur. Vorläufige Ergebnisse in der Zeitschrift Heliyon geben Hoffnung auf einen vielversprechenden Meilenstein, dessen Bedeutung sich auch auf verschiedene Bindegewebserkrankungen, wie das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), erstreckt.


Hypermobilität in all ihrer Hässlichkeit

Übermäßige Beweglichkeit, sich leicht in den Spagat begeben, die Füße hinter dem Kopf kreuzen können und andere dieser Kunststücke sind für uns Wackelhälsen keine Hürde. Hypermobilität ist allerdings viel mehr als das – besonders für Menschen mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS).

Gelenkschmerzen, Schwindel, Migräne, permanente Müdigkeit, Verdauungsstörungen, massive Kreislaufprobleme, neurologische Ausfallerscheinungen und weit mehr stellen täglich große Herausforderungen für Betroffene dieser genetischen Form der Kollagensynthese dar. Wer den hypermobilen Typus trägt – und das betrifft immerhin 90% der EDS-Patienten, die insgesamt 13 Subtypen repräsentieren -, muss sich obendrein für die Anerkennung seiner Beschwerden engagieren, da hierfür bislang kein genetischer Marker gefunden werden konnte.

MTHFR – Ein Lichtschimmer

Wissenschaftler an der Tulane University School of Medicine fanden nun jedoch einen Zusammenhang zwischen Hypermobilität und einem Mangel an Folsäure – der natürlichen Form von Vitamin B9 (Courseault et al., 2023). Dieser Mangel wird durch eine Variation des MTHFR-Gens verursacht, ein Gen, welches ein Enzym codiert, das eine Form von Folsäure in ein Molekül namens 5-Methyltetrahydrofolat (5-MethylTHF) umwandelt, die Hauptform von Folsäure im Blut.

Die Forscher schlagen vor, dass MTHFR-Mutationen die Menge an 5-MethylTHF verringern könnten, was letztendlich zu höheren Mengen nicht verarbeiteter Folsäure im Blut führen würde, woraus faktisch ein Folsäuremangel resultiert.

Dieser Folsäuremangel behindert wiederum die Fähigkeit wichtiger Proteine, eine Bindung zwischen Kollagen und der extrazellulären Matrix herzustellen. Dies hat zur Folge, dass das Bindegewebe elastischer wird, was Hypermobilität verursacht – und es können zusätzliche gesundheitliche Probleme auftreten.

Dr. Gregory Bix, Leiter des Tulane University Clinical Neuroscience Research Center, kommentierte diese Entdeckung: „Millionen von Menschen leiden wahrscheinlich unter dieser genetischen Variation, und bisher kannten wir keine Möglichkeit zur Behandlung. Das ist wirklich bedeutend.“

Inwiefern bedeutend?

Diese Entdeckung könnte Ärzten helfen, Hypermobilität und hypermobiles EDS genauer und vor allem schneller zu diagnostizieren, indem erhöhte Folsäurespiegel im Blut und die genetische Variante MTHFR unter die Lupe genommen werden.

Sollte zukünftige Forschung diesen Ansatz stützen, käme eine simple Behandlung mit 5-MethylTHF in Betracht (Courseault et al., 2023).

Interview mit der Forschung

Spannend: Karina Sturm, unermüdliche Aufmerksamkeitskämpferin und Journalistin, führte bereits ein Interview mit zwei der beteiligten Forscher, Jacques Courseault, Facharzt für physikalische Medizin und Rehabilitation sowie Sportmedizin der Hypermobility and EDS Clinic der Tulane University, und Professor Gregory Bix, Direktor des Clinical Neuroscience Research Center, über deren Beobachtungen an zahlreichen Patienten und wie sie schließlich dazu kamen, ihr Augenmerk auf Folsäure zu richten.


Courseault, J. et al. (2023). Folate-dependent hypermobility syndrome: A proposed mechanism and diagnosis. Heliyon, 9(4), https://doi.org/10.1016/j.heliyon.2023.e15387.