Die Grippe hat uns erwischt. Nicht uns alle, zum Glück, schließlich muss einer von uns, nämlich ich, den Part der Pflegenden übernehmen. So anstrengend das auch ist, es hat auch etwas reinigendes.


Wenn unsere Kinder dicht aneinandergekuschelt auf der Couch liegen und der Müdigkeit in sich gehorchend langsam in den Schlaf driften; wenn mein Mann endlich gezwungen ist, die Arbeit liegen zu lassen und sich Ruhe gönnt; wenn von all den Dingen, die ich leiste, nichts wichtiger ist als meine Nähe, dann ist eine Grippe eben nicht nur lästig, sondern auch schön.

Weniger schön sind Momente, in denen man sich verloren fühlt, besonders in solchen Zeiten. Wenn Symptome und Angst überhandnehmen, die Suche nach Hilfe unumgänglich scheint und zugleich ein Streit zwischen Schuldgefühlen und Verzweiflung entbrennt. So jedenfalls erging es uns vor ein paar Tagen.

Unsere Tochter bekam schlecht Luft. Schlapper Kreislauf, war meine Vermutung, nur geben sich Mütter und Väter in der Regel nicht mit Mutmaßungen zufrieden. Und davon abgesehen: Unser Kind schrie jämmerlich und war zugleich völlig ausgelaugt. Normalerweise kein Grund für zeitraubende Überlegungen. Doch aktuell…

Einfach so den Haus- oder Kinderarzt besuchen, geschweige denn ein Krankenhaus, ist momentan alles andere als unproblematisch. Jeder, der grippeähnliche Symptome zeigt, könnte schließlich von Corona befallen sein und muss somit pauschal abgewimmelt werden. Mein Mann und ich wussten das und kontaktierten somit vorerst das Gesundheitsamt, wo wir vorsichtshalber als Verdachtsfall registriert wurden, nach ein, zwei Fragen zur Abschätzung des bestehenden Risikos jedoch rasch das Go erhielten, uns auf den Weg zum Arzt machen zu dürfen.

Wir fühlten uns unglaublich schlecht dabei und das muss man sich mal vorstellen! Unserer Tochter ging es miserabel und wir, ihre Eltern, hatten Schuldgefühle, mit ihr zum Arzt zu gehen! Wir wussten (oder waren zumindest davon überzeugt), dass sie nicht vital bedroht war. Andererseits bedroht genug. Doch bedroht genug, die Gesundheit anderer zu gefährden? Ein Dilemma, kann ich euch sagen.

Wir fuhren nach telefonischer Absprache mit einer Notaufnahmeschwester ins Krankenhaus (denn unsere Kinderärztin war nicht verfügbar, eine umliegende Praxis hatte wegen Corona bereits bis auf Weiteres geschlossen und der Bereitschaftsdienst war nicht erreichbar). Da beide Kinder mit im Auto saßen – ich auf der Rückbank zwischen ihnen, um auf unsere lautstark wimmernde Tochter aufzupassen, während mein Mann mit halber Lichtgeschwindigkeit durch die Landschaft raste – hatte meine Hose das große Glück, zugleich von zwei Seiten mit grellorangem Saft bespuckt zu werden. „Schön sieht’s aus“, erlaubte ich mir zu scherzen, kurz bevor wir den Parkplatz erreichten und unsere Wege sich trennten. Mein Mann und unser Sohn fuhren zurück nach Hause, unser Tochter und ich betraten das Krankenhaus.

Da unsere Tochter wirklich nicht gut aussah und ansonsten nicht viel los war, konnten wir ohne Wartezeit in das Behandlungszimmer einer Kinderärztin eintreten … und nach einer kurzen Untersuchung schon wieder nach Hause fahren. Diagnose: Kreislauf schlapp und somit kein Grund zur Beunruhigung. Danach wusste ich zwar nicht, ob ich mich schämen sollte oder beruhigt sein durfte, doch das Gute war: Wir hatten Gewissheit und das große Drama ein jähes Ende.