Viele CCI-Betroffene tragen einen kunterbunten Symptomregenbogen mit sich umher: Schwindel, Sehstörungen, Ohrgeräusche, Schmerzen, Benommenheit, Luftnot, autonomes Durcheinander. Die Liste scheint endlos, diffus, wechselhaft und erschöpfend – und führt oft zu einer regelrechten Ärzte-Odyssee: von Neurologie über Kardiologie bis zur Psychosomatik – „von Pontius zu Pilatus“, wie man so schön sagt. Und doch: nix hilft. Woran liegt das?
Alles ist erstmal bedrohlich
Ein zentraler Faktor, der die Genesung behindern kann, ist der Zustand des autonomen Nervensystems. Viele Patienten mit CCI (mit oder ohne Überlappungen zum Ehlers-Danlos-Syndrom/ Hypermobilitätsspektrumstörungen – EDS/HSD) befinden sich dauerhaft in einem sogenannten sympathischen Overload. Das bedeutet: Der Körper steckt chronisch im „Fight-or-Flight“-Modus fest, also in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft.
In diesem Modus wird fast jede neue Reizquelle – sei sie medizinischer oder therapeutischer Natur – vom Nervensystem vorsorglich als potenzielle Gefahr eingestuft. Selbst gut gemeinte Therapieversuche können dadurch als Bedrohung wahrgenommen werden, sodass schlimmstenfalls sogar aktiv Energie mobilisiert wird, um jegliche Intervention schnellstmöglich zu blockieren oder rückgängig zu machen.
Therapie im falschen Moment – wie der Körper Hilfe erstmal abwehrt
Ein unvorbereiteter Einstieg in manuelle Therapie, Bewegung oder Training kann unter diesen Umständen nicht nur ineffektiv, sondern sogar kontraproduktiv sein. Wird das Nervensystem nicht abgeholt und reguliert, besteht das Risiko, dass therapeutische Reize das Übererregungsmuster verstärken. Mögliche Folgen: Re-Traumatisierung, Crashs oder die Verstärkung bestehender Beschwerden.
Deshalb ist die Regulation des autonomen Nervensystems ein kritischer Therapiebestandteil – idealerweise schon vor dem eigentlichen Behandlungsbeginn.
Sanfte Wege zur Beruhigung des Nervensystems
Sanfte Wege zur Beruhigung des Nervensystems
Bevor „aktive“ Maßnahmen wie Übungen oder Mobilisation greifen können, braucht es also vorbereitende Schritte, die dem Körper Sicherheit vermitteln. Dazu gehören zum Beispiel:
- Craniosakrale Therapie: Eine sehr sanfte Form der Körperarbeit, die Spannungsmuster im Schädel-Kreuzbein-System adressiert und tief entspannend wirken kann.
- Myofasziale Entspannungstechniken: Wie z. B. Faszienrollen, Triggerpunktbehandlungen oder therapeutisches Stretching.
- Atemtherapie und Vagusnerv-Aktivierung: Atemübungen (z. B. verlängertes Ausatmen, Box Breathing) oder gezielte Vagusreizung (Kälteanwendungen, Summen, Singen) helfen, den Parasympathikus zu aktivieren.
- Somatische Achtsamkeitsübungen: Etwa nach dem Prinzip von Somatic Experiencing, Polyvagal-Theorie oder Feldenkrais.
Sicherheit an erster Stelle
Ohne ein Gefühl von Sicherheit und Regulation wird selbst die beste Behandlung zur Belastung. Die zentrale Erkenntnis: Heilung bei CCI – besonders mit begleitender Hypermobilität – ist nicht primär eine Frage der richtigen Technik, sondern ebenfalls der richtigen Reihenfolge. Erst wenn das autonome Nervensystem wieder zwischen Freund und Feind differenzieren kann, sind Fortschritte möglich.
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