In der Welt der seltenen genetischen Erkrankungen gibt es Neuigkeiten. Eine kürzlich durchgeführte Studie hat eine bisher unbekannte Form des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS) aufgedeckt, die sich durch eine Mutation im THBS2-Gen auszeichnet. Diese spezifische Form ist nicht nur durch die bekannte ungewöhnliche Flexibilität charakterisiert, sondern auch durch verlängerte Blutungszeiten und auffällige Gefäßanomalien.


Aus 13 werden 14

Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), eine Gruppe von Bindegewebserkrankungen, ist bereits für seine Symptomvielfalt bekannt, die von fragiler Haut bis hin zu schwerwiegenden Herzklappenproblemen reicht. Die Ursache dieser Erkrankung ist desorganisiertes Kollagen, welches neben Fibronectin und Laminin sowie vielen weiteren Proteinbestandteilen einen Teil der extrazelluläre Matrix (ECM) bildet. Diese Elemente sind äußerst wichtig für die Erhaltung der Integrität und Organisation der ECM. Bis heute wurden pathogene Varianten in mehreren Genen gefunden, die kollagene Bestandteile der extrazelluläre Matrix modifizieren. Diese Varianten verursachen Bindegewebserkrankungen, die in bislang 13 Unterarten des Ehlers-Danlos-Syndroms kategorisiert werden konnten.

Nun erweitert eine Entdeckung, die im European Journal of Human Genetics veröffentlicht wurde, dieses Spektrum um eine Variante mit deutlich ausgeprägten vaskulären Eigenschaften. Aus 13 werden 14.

Das THBS2-Gen

Hadar et al. (2024) beschreiben in ihrer Studie eine junge Frau Ende 20, verwurzelt in aschkenasisch-jüdischer Herkunft, die aufgrund von häufigen Gelenkausrenkungen (einschließlich Kiefer-, Schulter-, Oberschenkel-, Knie- und Sprunggelenken), Sehnenrissen, leichter Blutergüsse, ungewöhnlich langer Blutungszeiten sowie Ermüdung der Muskulatur der unteren Gliedmaßen nach dem Sport ärztliche Hilfe suchte. Ihre Familie, einschließlich ihrer älteren Schwester und Mutter, teilte ähnliche Symptome, während bildgebende Verfahren besondere Anomalien in den Blutgefäßen aufzeigten.

Trotz umfassender genetischer Tests, die keine der bekannten EDS-verursachenden Mutationen aufdeckten, führte eine tiefergehende Analyse zur Identifikation einer spezifischen Mutation im THBS2-Gen. Diese genetische Besonderheit, die in den Schwestern, aber nicht in über 7.000 untersuchten aschkenasisch-jüdischen Genproben oder ihren gesunden Verwandten gefunden wurde, deutet auf eine autosomal-dominante Vererbung hin. Eine einzige Kopie des mutierten Gens reicht aus, um die Erkrankung zu manifestieren.

Mäuse und Kollagen

Um die Tragweite dieser Mutation zu bestätigen, wurden Mäuse mit der gleichen genetischen Besonderheit untersucht. Diese zeigten eine außerordentliche Flexibilität; so flexibel, dass ihre Schwänze zu Knoten gebunden werden konnten, ohne den Tieren merkliches Unbehagen zu verursachen. Zudem neigten diese Mäuse zu übermäßigen Blutungen. Eine Untersuchung des Gewebes enthüllte auffällige Kollagenfasern – ein Schlüsselmerkmal von EDS. In der Studie heißt es:

„Es wurde gezeigt, dass es direkt an die Matrix-Metalloproteinase 2 (MMP2, MIM 120360) bindet, eine ECM-gestaltende Metalloproteinase und einen Angiogenese-Modifikator, und deren Abbau vermittelt. Zudem wurde in-vitro und bei Mäusen nachgewiesen, dass der Funktionsverlust von THBS2 den Abbau von MMP2 moduliert, was zu höheren Mengen von ECM-MMP2 führt. Dies ist bekannt dafür, die MMP-2-vermittelte Spaltung des Proteoglykans Dekorin zu verstärken, was Anomalien der extrazellulären Matrix verursacht, ähnlich denen, die in histologischen und elektronenmikroskopischen Studien der von uns beschriebenen menschlichen Krankheit zu sehen sind.“

Am besten, ich erkläre es einfacher…

Sowas versteht doch keine Maus…(Bild: wirbelwirrwarr)

THBS2 in einfach

Stellt euch vor, die extrazelluläre Matrix (EZM) ist wie ein komplexes Netzwerk im Körper, das hilft, alles an seinem Platz zu halten und Zellen zu unterstützen. Ein Schlüsselprotein in diesem Netzwerk ist MMP2, eine Art „Schneider“, das hilft, das Netzwerk in Form zu bringen, indem es Teile davon abschneidet oder umbaut. Normalerweise hilft ein anderes Protein, THBS2, dabei, die Menge von MMP2 zu regulieren, sodass nicht zu viel vom Netzwerk abgebaut wird.

Wenn THBS2 jedoch nicht richtig funktioniert, kann es nicht mehr effektiv helfen, MMP2 zu kontrollieren. Das führt dazu, dass zu viel MMP2 vorhanden ist. Dieses Übermaß an MMP2 schneidet nun zu viel eines speziellen Bausteins der EZM ab, genannt Dekorin. Dekorin ist wichtig für die Struktur und Funktion der EZM, und wenn es zu stark abgebaut wird, kann das zu Problemen im Netzwerk führen, ähnlich denen, die von den menschlichen Probanden präsentiert wurden.

Durch die Studie von Hadar et al. (2024) wurde nun eine neue Form von EDS durch eine pathogene Variante in THBS2-Gen entdeckt.

Die fortlaufende Forschung widmet sich nun den zugrundeliegenden biologischen Mechanismen, die THBS2-Mutationen mit Bindegewebsanomalien verknüpfen, und öffnet damit ein neues Kapitel in der Behandlung und dem Verständnis dieser komplexen Erkrankung.

Hier gibt’s mehr Infos.


Hadar, N. et al. (2024). Heterozygous THBS2 pathogenic variant causes Ehlers-Danlos syndrome with prominent vascular features in humans and mice. European journal of human genetics : EJHG, 10.1038/s41431-024-01559-1. Advance online publication. https://doi.org/10.1038/s41431-024-01559-1