Wieder einmal krabbelt eine wunderschöne Erinnerung aus den Sümpfen meines Kopfes empor. Und ich möchte sie gern teilen.


Vor fast zwei Jahren habe ich mich in einem See taufen lassen. Und zwar restlos – nämlich rücklings und mit allem, was zu mir gehört. Zwar war der Herbst nicht so sommerlich wie in diesem Jahr und das Wasser somit längst abgekühlt, doch ich war bereit. Bereit, Jesus zu folgen – was immer das bedeuten mochte.

Um ehrlich zu sein, ich hatte, bis auf die Gewissheit, dass ich nass werden würde, nicht den Hauch einer Idee. Die Christen um mich herum, die es scheinbar wussten, freuten sich; die Skeptiker, die nichts darüber wissen wollten, runzelten die Stirn.

Doch wisst ihr was? Ich habe mich für niemanden, nicht einmal für Jesus, taufen lassen. Sondern für mich selbst. Ich wollte, plump gesagt, untertauchen, um wieder aufzutauchen. Und zwar als jemand, der von ganzem Herzen glaubt und der es liebt, zu glauben. Und so bin ich Christin geworden.

Aber Christin war ich schon immer. Irgendwo in meinen Tiefen. Und gleichzeitig war ich so viel anderes. Buddhistin zum Beispiel. Ebenso Jüdin oder Hinduistin. Viel oder wenig von all dem gab es längst in mir und die Taufe hat daran nichts geändert. Sie machte es lediglich einfacher, mir ein Etikett zuzuweisen, damit man mich besser und eindeutiger zuordnen kann.

Heutzutage gibt es Etiketten für nahezu alles. Für jede Art des Glaubens, ganz egal, ob es mit Gott oder völlig anderen Dingen zu tun hat. Das Problem mit diesen Etiketten ist nur, dass sie uns Erwartungen – oder anders ausgedrückt: Klischees – in die Köpfe pflanzen.

Ein Christ kann doch nicht gleichzeitig Buddhist sein – obwohl viele verbindende Gemeinsamkeiten existieren. Beispielsweise die Gleichmut, also die Unvoreingenommenheit, die Freunde und Feinde zu gleichwertigen Menschen macht.

Jemand, der mit Vorliebe Fleisch verzehrt, kann doch unmöglich auch eine Vorliebe für vegane Speisen haben oder ganze Kochbücher darüber besitzen.

Jemand, der krank ist, kann doch nicht glücklich sein.

Ich bin dafür, den Etiketten-Urwald ein wenig verwildern zu lassen, bis alles ineinandergewachsen ist. Scharf definierte Begriffe mögen zwar praktisch sein, wenn man etwas Abstraktes, wie ein Gefühl oder Glaube, (bei)greifbar machen möchte und man könnte annehmen, dass mit noch mehr Namen und Begriffen auch mehr Platz entsteht für Individualität. Doch ich denke, dass daraus ein großer Nachteil erwächst: Es trennt uns voneinander.

Bestimmte Etiketten ziehen Menschen an, die sich damit identifizieren und schreckt jene ab, die sich zu etwas anderem hingezogen fühlen. Verborgene Gemeinsamkeiten bleiben dadurch verborgen. Und Individualität, die jeden von uns ausmacht, weicht einer Schubladenzugehörigkeit, einer Gruppenindentität.

Gruppen sind erst einmal nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Gruppen prägen und stärken den Einzelnen und geben ihm wie ein Spiegel Auskunft über sich selbst. Jeder von uns hat aus gutem Grund ein großes Verlangen nach Zugehörigkeit, denn es bedeutet Sicherheit, Orientierung und im besten Fall Wertschätzung. Mit Hilfe einer Gruppe können durch ein geschätztes Individuum geborene Ideen besser, schneller und nachhaltiger etabliert werden. Doch Gruppen bringen auch gewisse Grenzen mit sich. Das müssen sie, schließlich wollen sie sich von anderen Gruppen unterscheiden.

Doch wie bereits angedeutet: Es ist nicht unmöglich und auch gar nicht unüblich, mehreren Gruppen gleichzeitig anzugehören. Und um das nicht zu vergessen, braucht es nur ein wenig Eigensinn.

Mein Eigensinn hat mir neulich offenbart, was es eigentlich für mich bedeutet, mit Jesus zu gehen. Es bedeutet nicht, ihm blind hinterherzulaufen. Es bedeutet auch nicht, ihn vorbehaltlos anzubeten (Christen nennen das gern Gottvertrauen). Für mich bedeutet es, bewusst mit seinen Worten übereinzustimmen. Wenn ich also sage: „Ich folge Jesus“ meine ich: „Ich kann Jesus folgen“ und somit nichts anderes, als „Ich verstehe, was er meint und gehe mit.“

Keinesfalls sehe ich in Jesus einen Big Boss. Ich sehe ihn als Vorbild. Nicht, weil es so zu sein hat, sondern weil ich es möchte. Jesus hat uns gezeigt, was ein Kind Gottes (wem das zu albern klingt, möge eine andere Bezeichnung einsetzen) bewirken kann. Wir alle sind Kinder Gottes und wir alle können, genau wie Jesus, der sich seiner Göttlichkeit (ich zum Beispiel nenne es gern Potential) bewusst war, Großartiges erschaffen. Wenn wir an Gott glauben. Wenn wir an unsere Göttlichkeit, unser Potential glauben. Wenn wir an uns selbst glauben.

Amen. ❤️