Bestimmt habt ihr schon mal jemanden beleidigt. Wie habt ihr das gemacht? Ich beleidige meine Mitmenschen fast täglich – zum größten Teil, indem ich etwas esse.


Jeder isst anders

Wir essen, weil wir Hunger haben. Oder Appetit. Oder beides gleichzeitig. Vor allem aber essen wir, weil unser Körper nicht existieren könnte, wenn wir damit aufhören würden. Zahllose Nährstoffe bilden für ihn die Bausteine seiner vielen Funktionen, wie Wachstum, Regeneration oder Denken. Abhängig davon also, was unser Körper braucht, essen wir. Und da nicht jeder Körper in gleichen Abständen das Gleiche braucht, ist das Essverhalten jedes Menschen etwas Einzigartiges. Jedenfalls müsste es so sein.

Essen verrät, wer wir sind

Je nachdem, wohin es mich verschlägt – ob zu Bekannten, Freunden oder zu Verwandten – sehe ich mich mit den unterschiedlichsten Essgewohnheiten konfrontiert. Manch einer ernährt sich von früh bis spät von Brot und Wurst, ein anderer isst nur Grünzeug und der nächste ernährt, pflegt und kleidet sich zu 100 Prozent vegan. Letztendlich möchte ich mir über keine dieser oder anderer existierender Vorlieben ein Urteil erlauben, denn jeder für sich hat bestimmte, gute Gründe, zu essen, was er eben isst – sei es aus Gewohnheit, seien es Glaubenssätze oder der Wunsch nach Weltverbesserung. Essen verrät somit auch einiges über unsere Herkunft und ebenso über unsere Werte und Ziele. Ob sich dies jedoch immer mit dem deckt, was wir brauchen, ist eine andere Frage.

Lust vs. Höflichkeit

Ich für meinen Teil esse einfach das, worauf ich Lust habe. Und wann ich Lust habe. Oft passiert es mir, dass ich an einem üppig gedeckten Mittagstisch sitze und meinen Teller vehement vor den sich nähernden Kellen und Zangen verteidigen muss, da sie mit Fleisch oder Fettigem beladen sind. Den Löffel mit Gemüse lasse ich hingegen stets wohlwollend passieren. Ich mag Gemüse. Fleisch oder Fettiges mag ich nicht. Weil es mir nicht schmeckt und außerdem zu schwer im Magen liegt. Freilich, aus Höflichkeit könnte ich mir die Nase zuhalten und es mir hurtig in den Rachen pfropfen. Doch welchen Gefallen würde ich mir damit tun? Bräuchte mein Körper fettiges Fleisch, würde er es mir mitteilen.

Dass mir diese Einstellung in manchen Situationen ein dickes Fell abverlangt, könnt ihr euch sicher vorstellen. Nicht wenige, bei denen ich zu Gast war, verhielten sich mir gegenüber so, als hätte ich ihnen ein Schimpfwort zugerufen. Nur, weil ich ihr Essen nicht wollte. 

Nach Herzenslust essen

„Iss deinen Teller leer, dann scheint die Sonne“, werden unsere Kinder von mir niemals hören. Es wäre schließlich unfair, sie zu zwingen, das durch mich verursachte Wolkenwetter auszubügeln. Nein, auch sie dürfen nach Herzenslust essen und Essen ablehnen (nachdem es zumindest einmal probiert worden ist). Doch was, wenn dann das mühevoll zubereitete Mahl unberührt auf dem Tisch stehen bleibt? Ich denke, das kann nicht passieren, sofern man sich untereinander abspricht. Und wer sagt denn, dass es zum Mittagessen immer Warmes und abends Brot mit Wurst geben muss? Oder dass es immer drei Mahlzeiten sein müssen? Essen kann man schließlich jederzeit, allein drei Gründe, sich als Familie an einem Ort zu versammeln, würden schlagartig fehlen. Das würde vielen nicht gefallen, war es doch immer schon Tradition. Richtig oder gesund macht es das aber noch lange nicht.

Was ist eigentlich gesund?

Wenn unsere Tochter vor den „Hauptmahlzeiten“ Appetit auf ein Stück Apfel hat, schimpfe ich nicht: „Dann isst du nachher wieder nichts Vernünftiges!“ Denn nicht ich lege fest, was ihr Körper in diesem Moment braucht. Und mal ehrlich: Was könnte „vernünftiger“ sein als ein Stück Obst? Süßigkeiten hingegen sind auch bei uns ein heikles Thema, obwohl ich ehrlich gesagt glaube, dass unsere Tochter von sich aus eine vertretbare Menge Zucker (und mir ist bewusst, dass das recht wenig ist) zu sich nehmen würde, ließen wir ihr dahingehend freie Hand. Spätestens nach einer Woche ausgiebigen Schokoladengenusses wäre ihr Appetit vermutlich gestillt. Danach würde sie einfach weiterhin essen, worauf sie Lust hätte und das wäre, sobald Gewohnheit, Tabus und Zwang kein Mitspracherecht mehr hätten, mit Sicherheit genau das Richtige. Und somit gesund. Doch zugegeben: Ich bin zu feige, es drauf ankommen zu lassen. Meine Rechnung beinhaltet außerdem keine Geschmacksverstärker.

Ich wünsche euch guten Appetit. 😉

Christin


(Foto: Angele J – Pexels.com)