Gestern Abend fuhr ich bei Nebel und Regen zu einem Treffpunkt, wo etwas auf mich wartete, dem die meisten von uns bis zuletzt keine Beachtung schenken wollen. Dort wartete der Tod mit einer Tasse warmem Tee.


Zugegeben, er saß nicht wirklich da, denn wie hätte das auch ausgesehen? Eine schwarze Gestalt mit Kapuze und geschärfter Sense, an einem Tischchen hockend und heißen Tee in ein Tässchen schenkend? Aber er war dennoch präsent, was mich sehr freute. Andernfalls hätte ich den Tee wahrscheinlich stehen lassen.

Ich werde aus allen Körperöffnungen scheißen, kotzen, pissen und spucken.

Spätestens nach meinem physischen Zusammenbruch vor gut zwei Jahren weiß ich, dass ein Teil von mir endlich ist. Irgendwann, vielleicht schon morgen oder nachdem ich diesen Satz beendet habe, wird mein Herz aufhören, Blut durch meinen Körper zu pumpen, wird meine Haut, leblos und kalt, zu einem Kokon für faulende Organpampe und stinkendes Fleisch. Ich werde nicht wie Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg aussehen, friedlich, sondern aus allen Körperöffnungen scheißen, kotzen, pissen und spucken.

Die Wahrheit ist nicht immer so elegant wie wir es uns wünschen. Aus diesem Grund ist der Tod für viele Menschen etwas Hässliches. Er beraubt uns unserer Würde, unserer Kontrolle und unserer hart erarbeiteten Erhabenheit über alles Schlimme, Dreckige und Unschöne. Er lässt uns zu Abfall werden, der auch wie solcher entsorgt werden muss, unabhängig davon, wie viel Geld wir zuletzt verdient und welche politische Gesinnung wir mit uns herumgetragen haben.

Das Schöne am Tod

Veränderung, wie auch das Sterben sie ins Rollen bringt, ist etwas Tückisches. Sie kann zu etwas Gutem, aber ebenso zu etwas Schlechtem werden. Doch genau das ist das Schöne am Tod: Dass auch er allerhand Ungewissheiten bereithält und wir spekulieren dürfen, was wohl mit unserer Seele passiert, sobald sie den Körper verlassen hat. Wer glauben möchte, dass uns nichts als Dunkelheit erwarten wird, darf dies glauben, denn wer weiß es schon? Wer glauben möchte, dass Jesus uns begrüßen wird, darf dies glauben, denn wer weiß es schon? Wer glauben möchte, dass ein neues Leben auf uns warten wird, darf dies glauben, denn wer weiß es schon? Wer glauben möchte, dass wir nach Hause zurückkehren werden, darf dies glauben, denn wer weiß es schon?

Es gibt kein Richtig oder Falsch. Sobald die Zeit da ist, werden wir Antworten erhalten.

Und um nichts anderes geht es in der Sterbebegleitung: Akzeptanz, Wohlwollen, Wertschätzung – alles Dinge, die jedem Menschen eigentlich schon von Geburt an gebühren. Und eben deshalb fühlt es sich für mich richtig und gesund an, mit anderen über das Ende des Lebens zu sprechen und Sterbebegleiterin zu werden. Weil ich glaube, dass der Tod nichts Schlimmes ist.