Ich überlege, weshalb so viele Menschen, darunter etliche Ärzte, davon abraten, Kinder länger als ein Jahr zu stillen. Oder überhaupt! Was stimmt denn nicht mit denen?


Wollen oder nicht können

Es gibt Stimmen, die behaupten, dass das Stillen jeder Frau gelänge, wenn sie es aufrichtig wolle. Insgeheim vertrete ich eine ähnliche, jedoch nicht die gleiche Überzeugung. Ich glaube, viele Mütter, bei denen es nicht klappt, könnten, wenn nicht eine innere Abwehr es verhindern würde – oder das andere Extrem: zu hohe Ansprüche. Übrig blieben dann jene, die beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen zur Ersatzmilchmischung greifen müssen.

Summa summarum glaube ich nicht, dass jede Frau, die es möchte, stillen kann. Doch viel mehr könnten es, wenn sie verstünden, dass man es nicht krampfhaft muss.

Stillen ist ungesund

Wie die Umstände auch immer aussehen mögen, es gibt Mütter, die stillen möchten, es jedoch nicht können. Manche könnten, wollen aber nicht.
Für mich ist es völlig gleich, ob eine Frau stillen möchte oder nicht. In jedem Fall sollte ihre Entscheidung respektiert werden. Der bewusste Verzicht, die Brust zu geben, kann durchaus auf Gründen fußen, die dem Kindeswohl dienen, mag es manch einem auch skurril erscheinen. Doch da ich voraussetze, dass jede Mutter istinktiv zum Wohle ihres Kindes entscheidet, sehe ich keinen Grund zur Aufregung, wenn manche von ihnen eine andere Abzweigung wählen.

Womit ich nicht einverstanden bin: Wenn sich die Entscheidung gegen das Stillen an angeblichen Expertisen orientiert, die verbreiten, Muttermilch sei schädlich, ungesund, unbedeutend oder gar überflüssig! Woher stammen diese schrecklichen Ansichten? Etwa aus diktatorischen Zeiten, in denen man mit allen Mitteln einer Verweichlichung seines Sprosses zuvorkommen wollte? Denn so forderten es die allerersten Elternratgeber und deren systemverliebte Verfasserin Johanna Haarer. Stillen galt zwar als „Mutterpflicht“ und wurde gefordert, jedoch verkam es dadurch auch zu etwas, das nicht mehr nur aus dem Herzen heraus geschieht. Und wen würde das wundern. Kinder waren damals nicht dazu da, geliebt und umsorgt zu werden. Sie dienten als Munition.

Das Milch-Paradoxon

Die größte Schande für mich ist, dass gleichzeitig noch immer das Trinken von Kuhmilch als das Gesündeste propagiert wird. Erkennt niemand den Widersinn darin? Kuhmilch ist ebenfalls Muttermilch! Muttermilch, die wir ein Leben lang trinken, obgleich sie gar nicht für uns vorgesehen ist. Denn ebenso wie menschliche Muttermilch, entsteht auch die Milch einer Kuh einzig und allein für ihr Baby. Die Milch einer Kuh ist die Milch einer Mutter!

Wenn unsere Kinder von ihren eigenen Müttern mit Menschenmilch gestillt werden, gilt dies schon nach kurzer Zeit als bedenklich, übertrieben, unwichtig. Doch wenn sie stattdessen bis ins hohe Erwachsenenalter die Muttermilch einer Kuh trinken, die mit Stoffen angereichert ist, die für die Entwicklung von Kälbern bestimmt sind, ist das wiederum in Ordnung. Muss ich das begreifen?!

Mir wird übel!

Sobald ich mir vorstelle, wie kleine Kälber ihren Müttern entrissen und die männlichen unter ihnen im Schlachthaus zu Wurst zerhexelt werden, während die weiblichen Kälber eingepfercht und gemästet einem brutalen und unwürdigen Schicksal als Milchkuh entgegenblicken, wird mir übel. Sobald ich mich frage, wie Menschen es schaffen, den verzweifelten, noch tagelang nach ihren Babys schreienden Müttern ihre Milch zu stehlen, ohne von höllischen Gewissensbissen davon abgehalten zu werden, fängt mein Herz an zu bluten. Für mich ist das Vergewaltigung! Ich mag kein vorbildhafter Bilderbuch-Weltverbesserer sein, aber mit dieser Unlogik komme ich nicht zurecht, nicht zu reden von der damit einhergehenden Grausamkeit!

Stillen ist alles

Ich kann natürlich niemanden zwingen, es wie ich zu sehen. Doch ich kann zumindest entschlossen äußern, dass Stillen für mich das Wunderschönste ist. Denn es ist nicht nur Füttern, sondern auch Nähe und die wichtigste Bindungsquelle für mein Baby.

Allein der Blickkontakt zwischen unserem Sohn und mir, die intensiven Berührungen und das herzerfüllende Lächeln meines kleinen Rabauken, während er an mir nuckelt, sind für mich der über allen anderen Meinungen und Kritiken erhabene Beweis, dass Stillen eine Wohlfühl-Goldgrube ist, aus der Mutter und Kind so lange wie möglich schöpfen sollten.

Obendrein ist Stillen ja auch sehr praktisch. Es braucht kein Extragepäck, keine Fläschchen, keinen Mehraufwand beim Geschirrspülen, denn die Brust ist immer mit dabei und allzeit bereit, sobald der Hunger sich meldet. Besonders nachts bin ich glücklich, ruhig und ohne Unterbrechungen schlafen zu dürfen, da unser Sohnemann bei Bedarf nur den Mund öffnen und sich sattschlürfen muss. Mit Faulheit, wie manch einer glaubt, hat das wahrlich nichts zu tun. Was hat man schon davon, es sich selbst und seinem Baby unnötig schwer zu machen?

Also, liebe Mütter, stillt ruhig! Stillt wie eine Kuhmutter es für ihr Baby täte, wenn man es bei ihr lassen würde.