Viel zu oft in meinem Leben habe ich über einer Frage gebrütet, für die ich bis heute keine Antwort finden konnte. Es gibt sie nämlich nicht.

Ich wollte unbedingt wissen, was ich eigentlich falsch mache. Wieso wirke ich auf andere wie ein Fremdkörper? Wieso passe ich nicht dazu?

Ohne es überdramatisieren zu wollen: Ausgerechnet zwischen mir und großen Teilen meiner Familie klafft die allergrößte Kluft. Viele Dinge, die ich als wichtig und wertvoll ansehe, sind für die Menschen meines verwandtschaftlichen Umfelds allenfalls spottreif. Oder es regt sie auf. Oder sie leugnen es.

Jedenfalls findet sich keinerlei Konsens, nicht mal dann, wenn ich mich bis zur Unkenntlichkeit verbiegen würde.

Das möchte und kann ich auch gar nicht. Ich bin nun einmal so. „So chaotisch“, sagen sie.

Bin ich das?

Ich lege keinen Wert auf nach Größe, Farbe, Zweck oder Anschaffungspreis sortierte Teller. Teller ist Teller. Mir ist auch völlig egal, ob meine Kissen auf dem Boden umherkullern oder die Stühle schräg zueinander stehen. Wenn mir jemand von etwas oder jemanden abrät, gehe ich auf Tuchfühlung, um mir selbst ein Bild zu verschaffen. Älteren Menschen steht meiner Meinung nach nicht mehr Respekt zu als jungen. Hochzeiten sind für mich unbequeme Theaterstücke – zumindest, wenn ich mich in die klassische Brautrolle hineindenke. Ich glaube an Gott und Außerirdische. Und ich gehe nicht wählen. Nicht, weil meine Stimme nicht ausschlaggebend wäre (ganz bestimmt ist sie das). Sondern weil Politik mir vorkommt wie ein großer Kindergarten, in dem jeder „Ich bin stärker!“ schreit, während drumherum die Wände einstürzen. So sehr ich Sprache, besonders Schriftsprache, schätze und ebenso ihre Vielfalt, so sehr wünschte ich mir, sie würde nicht existieren. Dann gäbe es keine Begriffe für verschiedenartige Menschen, nur das Gemeinschaftsgefühl. Es gäbe keine Religionen, nur das Glaubensgefühl. Es gäbe kein schneller oder besser, nur den Augenblick und den Genuss darüber. Es gäbe keine Schimpfwörter, nur Blicke und Emotionen.

Ich denke, jeder Einzelne kann und sollte etwas für ein harmonisches Miteinander tun, je nachdem, was ihm gut liegt. Echtes Engagement ist doch tausendmal besser als zwanghaftes.

Meine Wäsche wird obendrein nicht gebügelt, ich investiere diese Zeit lieber in Schreiben oder für meine Kinder. Außerdem … Ach, nix außerdem! Ich bin nicht anders oder chaotischer als die meisten Menschen. Weil jeder Mensch, egal, ob er ein Bügeleisen besitzt oder nicht, etwas Besonderes ist. 

Allerdings kann und muss man nicht mit jedem davon auskommen. Es ist ok, wenn man sich aus dem Weg geht und das gilt auch für Verwandtschaft. Man hat doch stets die Möglichkeit, sich mit Menschen zu umgeben, die einem gut tun. Wenn die Familie nicht dazu zählt, darf man sich auch getrost nach einer neuen umsehen. Ich erinnere mich daran, wie einmal jemand Besonderes zu mir sagte: „Ich habe mir vor langer Zeit abgewöhnt, die Familie meiner Partnerin mitzumögen.“ Das bedeutet: Was sich ergibt, ergibt sich und wenn nicht, sollte es nicht erzwungen werden.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet muss ich mir eingestehen: Es gibt ja doch eine Antwort! Nämlich die, dass meine Frage völlig anders hätte lauten müssen. Nicht: „Warum passe ich nicht hinein?“, sondern: „Wo finde ich Menschen, die zu mir passen?“ Die Welt ist doch groß genug. Es gibt für jeden von uns ein Plätzchen.

Prima, nicht? Dann weiß ich ja nun endlich Bescheid.