Heute fühle ich mich überfordert. Der Grund dafür ist, dass unsere Tochter unglücklich ist. Sie fühlt sich haltlos, denke ich.


Doch das überrascht mich nicht. Ihr Bruder bekommt momentan das Gros unserer Aufmerksamkeit und beinahe ununterbrochene Körpernähe. Ausgiebige Kuschel- und Spielstunden, die wir unserer Tochter sowohl gemeinsam als auch abwechselnd einräumen, schaffen leider nur wenig Abhilfe. Im Gegenteil. Ich habe eher den Eindruck, dass unsere Tochter zu einem Fass ohne Boden geworden ist. 🙂

Zu ihrem Bruder ist sie trotz des großen Frustes über die vielen Veränderungen sehr, sehr lieb. Sie küsst ihn, hilft uns, ihn zu baden, tröstet ihn und überlässt ihm ungefragt ihr Spielzeug. Es ist eine Freude, die beiden zusammen zu erleben und lachen zu sehen.

Wenn wir auf dem Spielplatz unterwegs sind, dann niemals ohne unseren kleinen Lausbub. Logisch. Wo sollte ich ihn wochentags schon lassen? Ich meine, selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, er gehört ab jetzt nun mal dazu. Jedenfalls: Da es ihm am allerbesten in seiner Babytrage, nah an Mamas Brust, gefällt, bin ich beim Spielen mit unserer Tochter leider etwas eingeschränkt und kann ihr manchmal keine Aufmerksamkeit schenken. Doch die braucht sie. Und sie nimmt sie sich. Und zwar von anderen Eltern.

„Schau, was ich kann!“, ruft sie den Müttern und Vätern zu, und das notfalls solange, bis sich alle zu ihr umdrehen und applaudieren, während sie zum 60. Mal die Kletterstange runterrutscht. Sie genießt diese ruhmreichen Augenblicke, doch oftmals sind sie leider nur ein Tropfen auf heißem Stein.

Einerseits bin ich froh, dass unser Mädchen eine Lösung für ihr Dilemma gefunden hat. Andererseits macht es mich natürlich traurig. Es muss doch möglich sein, ihr zu zeigen, dass sie für uns noch immer das Wichtigste ist. Nur ist eben noch jemand hinzugekommen. Es muss doch möglich sein, ihr mehr Halt zu bieten und die Gewissheit, dass ihre Geduld nicht für immer auf die Probe gestellt werden wird.

Ich weiß, unsere Tochter spürt, wie hin und hergerissen wir sind. Anstatt sich darüber aufzuregen, zieht sie sich zurück und beschäftigt sich allein mit ihren Buntstiften oder bastelt für uns Ketten. Doch manchmal ist ihre Welt besonders schwer. Manchmal wird sie bockig und die Wut kommt ihr hoch. „Präpubertär!“, witzeln mein Mann und ich, wenn sie nicht hinhört, und stimmen beide überein, dass unser kleiner Thronfolger keine liebevollere Schwester hätte abbekommen können. Und dafür lieben wir unsere Kleine umso mehr.