Nicht nur Dr. Eccles weiß, dass Hypermobilität mehr umfasst als bloße Biegsamkeit. Jane Green kann aus persönlicher Erfahrung ein Lied davon singen. Ihr ganzes Leben lang bekam sie zu spüren, dass „floppy connective tissue“ und Neurodivergenz missachtete Berührungspunkte besitzen. Heute setzt sie sich als Gründerin der Organisation SEDS Connective für die Unterstützung und Vernetzung von Menschen mit EDS, HSD, Autismus, ADHS und anderen neurodivergenten Zuständen ein und leistet wertvolle Aufklärungsarbeit.


Mehr als nur Biegsamkeit

Schaut euch mal dieses Video mit Jane Green an, Gründerin von SEDS Connective:

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Ein Leben zwischen Symptomen und Unverständnis

Schon früh bemerkte Green, dass sie anders war als viele ihrer Altersgenossen. In der Schule fiel es ihr schwer, sich zu konzentrieren, strukturiert zu arbeiten und dem Unterricht zu folgen. Obwohl sie sich bemühte, wurde sie als „dumm“ abgestempelt und in die unteren Leistungsgruppen eingeteilt. Gleichzeitig litt sie unter gesundheitlichen Problemen, die niemand richtig einordnen konnte: ständige Schmerzen, Verdauungsprobleme, Migräne, häufige Infekte – doch all das wurde als Überempfindlichkeit oder Pech abgetan. Später stellte sich der Grund für all das heraus: EDS (Ehlers-Danlos-Syndrom).

Obendrein stellte auch niemand die Verbindung zwischen ihren körperlichen Beschwerden und ihrem Verhalten her. Autismus und ADHS wurden damals kaum erkannt, vor allem nicht bei Mädchen, und so blieb sie ohne Unterstützung. Ihre Schwierigkeiten wurden stattdessen als mangelndes Engagement oder emotionale Instabilität interpretiert.

Die Suche nach Antworten beginnt

Erst viele Jahre später, als sie selbst Kinder bekam, begann sie, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Ihre Kinder erhielten früh Diagnosen für Autismus, ADHS, Dyspraxie und litten an schweren Allergien. Sie erkannte sich in vielen ihrer Verhaltensweisen wieder. Doch anstatt Unterstützung zu erfahren, wurde sie von ihrem Umfeld als „Refrigerator Mom“ (eine kühle, distanzierte Mutter) abgestempelt – ein Vorurteil, das früher oft gegenüber Müttern autistischer Kinder geäußert wurde.

Doch sie ließ sich nicht beirren. Sie begann, sich mit der Wissenschaft hinter neurodivergenten Zuständen zu beschäftigen, mit den körperlichen Symptomen, die viele Betroffene begleiten, und mit den erstaunlichen Überlappungen zwischen hypermobilen Bindegewebserkrankungen und neurologischen Auffälligkeiten.

Die Verbindung zwischen Hypermobilität und Neurodivergenz

Was sie entdeckte, veränderte ihr Verständnis von sich selbst und ihrer Familie. In zahlreichen Studien zeigte sich, dass Menschen mit Hypermobilität überdurchschnittlich häufig auch Autismus oder ADHS haben. Die genauen Mechanismen sind noch nicht vollständig erforscht, doch es gibt einige Hypothesen:

  1. Bindegewebsschwäche und das Nervensystem
    • Menschen mit EDS oder HSD prägen oft eine Dysautonomie aus – also ein autonomes Nervensystem, das nicht optimal reguliert ist.
    • Dies kann zu Symptomen wie chronischer Müdigkeit, Verdauungsproblemen, Kreislaufschwäche und einer Überempfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen führen – viele dieser Symptome überschneiden sich mit Autismus und ADHS.
  2. Reizverarbeitung und sensorische Empfindlichkeit
    • Viele Menschen mit hypermobilen Bindegewebserkrankungen sind sensorisch empfindlich. Geräusche, Lichter, Berührungen – all das wird intensiver wahrgenommen.
    • Dies passt zu den sensorischen Herausforderungen von Autismus und ADHS, bei denen das Gehirn Reize entweder zu stark oder zu schwach filtert.
  3. Dopamin und die Rolle des Gehirns
    • Neuere Forschungen legen nahe, dass es auch eine Verbindung über das Dopamin-System gibt, das bei ADHS und Autismus eine zentrale Rolle spielt.
    • Da auch Menschen mit Hypermobilität oft unter Müdigkeit, Konzentrationsproblemen und Stimmungsschwankungen leiden, könnte hier ein gemeinsamer biologischer Mechanismus vorliegen.

Was bedeutet das für Betroffene?

Diese Erkenntnisse sind nicht nur wissenschaftlich spannend, sondern auch von großer Bedeutung für Betroffene. Viele Menschen, die mit chronischen Schmerzen oder unerklärlichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben, werden oft nicht ernst genommen – insbesondere dann nicht, wenn sie gleichzeitig neurodivergent sind. Doch das Wissen über diese Zusammenhänge kann helfen, gezieltere Diagnosen zu stellen und individuellere Behandlungsansätze zu finden.

Für die Jane Green war es ein langer Weg, doch heute setzt sie sich mit SS Connective genau für diese Menschen ein: Für jene, die nicht in ein Schema passen, die jahrelang keine Antworten bekommen haben und die lernen müssen, mit ihren einzigartigen Körpern und Gehirnen umzugehen.

Mehr Forschung, mehr Verständnis, mehr Unterstützung

Die Verbindung zwischen Hypermobilität, Autismus, ADHS und anderen neurodivergenten Zuständen ist ein aufstrebendes Forschungsfeld. Es zeigt, dass die Grenze zwischen körperlichen und neurologischen Diagnosen oft nicht so klar ist, wie es etablierte Theorien vermuten lassen. Vielmehr geht es darum, den Menschen in seiner ganzen Komplexität zu betrachten und Behandlungen zu entwickeln, die Körper und Geist gleichermaßen berücksichtigen.

Dieses Wissen kann nicht nur die Lebensqualität Betroffener verbessern, sondern auch zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen: Weg von Vorurteilen und hin zu einer echten, individuellen Unterstützung für Menschen mit unsichtbaren Herausforderungen.