Gestern verbrachten meine zwei Krümel und ich den Vormittag auf dem Spielplatz. Auch unsere Hündin war dabei und machte das Geradeausgehen für mich wie gewöhnlich zur Zerreißprobe.


Eingepfercht

Wir haben sie aus einem rumänischen Tierschutzlager, in dem sie die letzten Jahre eingepfercht mit vielen anderen armen Seelen um die Gunst eines tierlieben Zweibeiners betteln musste. Kommandos standen dort natürlich nicht auf dem Stundenplan. Wenn überhaupt, gab es nur eine Disziplin und die lautete: in den engen Käfigen nicht von hungrigen Mitinsassen für das Abendessen gehalten werden!

Aus diesen Gründen jedenfalls versteht es unsere Hündin prächtig, größtmöglichen Abstand zwischen sich und uns entgegenkommenden Artgenossen zu wahren. Oder herabfallenden Zweigen. Oder Regentropfen – wodurch ich nicht selten damit zu kämpfen habe, mich aus den Verstrickungen der Hundeleine zu befreien. Von meinen beanspruchten Schultergelenken will ich gar nicht erst anfangen.

„Phasen“

Und ja, mitunter nervt es mich. Ich habe Verständnis, doch es nervt. Besonders dann, wenn unsere Tochter mal wieder unter dem Bann irgendeiner „Phase“ steht und auf kein Wort von mir reagiert. Und ganz besonders dann, wenn ich auch noch ein verbauchwehtes Baby vor meine Brust geschnallt habe, dessen Zeitzünder kurz davor ist abzulaufen.

So viel jedenfalls zu den Gegebenheiten. Trotzdem nochmal zum Verständnis: Ich war genervt – und wurde ununterbrochen von einer zum Leuchtturm gewordenen Spielplatzmama gemustert. Bevor sie mich entdeckt hatte, stand sie ziemlich genau in der Mitte zwischen Sandkasten und Klettergerüst und tastete mit ihren Blicken die Umgebung ab. Ihr Sohnemann, vielleicht ein Jahr jünger als unsere Tochter, stiefelte durch den Kies zwischen den Klettertürmen und wirkte ziemlich euphorisch, da er offenbar entschieden hatte, das Seilgitter Richtung Aussichtsplattform zu erklimmen. Als hätte sie der Blitz getroffen, zuckte die Mutter plötzlich zusammen, rannte zu ihrem Sohn, riss ihn vom Seilgitter und schimpfte schweißgebadet auf ihn ein: „Nein, Martin*! Du kannst das nicht! Du kannst nicht! Du bist viel zu klein! Willst du etwa ins Krankenhaus?!“ Nicht sonderlich beeindruckt (denn vermutlich war so etwas schon öfter vorgekommen) widmete sich der kleine Mann wieder den spannenden Dingen auf Bodenhöhe. „Warum kommt sie mit ihm hier her?“, rätselte ich indessen. „Eine Kiesgrube hätte es auch getan.“ Ein kurzes Schmunzeln huschte mir übers Gesicht, bevor meine Mine zu ihrer alten Anspannung zurückfand. Schon wieder hatte es unser Hund fertiggebracht, meine Beine in einer Schlinge festzuzurren und unsere Tochter war dabei, den zweiten Regenschirm innerhalb kurzer Zeit mülltonnenreif zu spielen.

Kopfschütteln

„Nicht schon wieder“, murrte ich, befreite mich aus der hündischen Stolperfalle und forderte unsere Tochter etwas igelborstig auf, die Zeit zum Klettern oder Buddeln zu nutzen, währenddessen unser neuer Schirm in meiner Obhut zu belassen sein möge. Gefühlt dauerte diese ganze Sache eine halbe Stunde, in Echtzeit jedoch nur etwa fünf Minuten. Die mich musternde Mutter hatte ich längst verdrängt. Obwohl es mich traurig gestimmt hatte, dass sie ihrem offensichtlich kletterbegabten Sohn Gespenster eingeredet hatte. Ja, für gewöhnlich hätte mich diese Art Erlebnis noch eine Weile beschäftigt. Doch diesmal war ich es, die Grund zur Empörung lieferte, denn wie ich bald feststellen musste, hatte ich schon eine ganze Weile das entgeisterte Kopfschütteln jener Mutter und neu hinzugekommener Kolleginnen im Buckel sitzen.

Immerhin

Naja, was habe ich auch erwartet. Ich hatte meinen Gefühlen fünf Minuten freien Lauf gelassen und wirkte im Umgang mit unserem Hund und zwei Kindern alles andere als souverän. Somit war ich in nur fünf Minuten zu einer riesigen Zielscheibe geworden, die dankbar befeuert wurde. Doch derlei Dinge war ich von mir selbst gewohnt (sind wir doch mal ehrlich: Andere machens doch prinzipiell falsch). Und am Ende konnte ich sogar lachen. Denn nachdem unser Hund still und heimlich ein großes Geschäft verrichtet hatte und entschlossen war, Dreck darüber zu kehren, traf er dabei – wie nicht anders zu erwarten – sein gebücktes, eine Kottüte in Händen haltendes Frauchen. Aber immerhin: Der Regenschirm war an diesem Tag doch noch heil geblieben. 😀